Der Sabbaticalist

ein Lehrkörper hat frei, und nicht nur nachmittags

Back home – wieda dahoam

Schwupps, und da sind sie auch schon vorbei, die vier Monate Reisen, die sich zu Beginn soooo lang und so unüberschaubar anfühlten. Und wie schön ist es doch, trotz deutlich schlechteren Wetters, „wieda dahoam“ anzukommen, willkommen geheißen zu werden und zu hören, dass man vermisst wurde UND dass viele uns virtuell gefolgt sind, indem sie Bilder in den (a)sozialen Medien schauten oder sogar diesen Blog lasen.

Um heimzukommen, in Empfang genommen zu werden, so wie unsere Laura und Marie am Flughafen in München, muss man aber erst einmal wegfahren, eines der wichtigeren Motive für eine Reise, ab und zu mal die Koffer zu packen und das Weite suchen.

Ich hab noch einen Koffer in Salvador

Was den Koffer angeht, muss dieser wohl am meisten unter einer solchen Reise leiden. Mein ursprünglicher Titan hat gar die vier Monate nicht überlebt. Die Mitarbeiter von Latam Air meinten es nicht gut mit ihm. Da half auch der lumpige 60-Dollar-Voucher nichts, den man mir aufgrund meiner Beschwerde in Santiago de Chile aushändigte. Noch dazu muss ich mich jetzt durch die hauptsächlich spanisch-sprachige Telefon-Hotline quälen, um den Voucher in eine Auszahlung umzuwandeln. Da lob ich mir doch die Holländer. Auch die KLM-Airlines Kofferträger nahmen wenig Rücksicht auf unsere rechteckigen Begleiter. Doch hier brauchte es lediglich einer Online-Beschwerde mit ein paar Bildern dazu und schon wurden 100 Euro auf mein deutsches Konto überwiesen. Latam, nehmt Euch ein Beispiel. Vielleicht lebt aber mein Titan-Koffer noch. Denn in Ermangelung eines Recyclinghofs in Salvador de Bahia oder einer anderen Einrichtung um kaputte Koffer zu entsorgen, deponierte ich meinen lädierten Titan in der Nacht vor unserer Abreise an einer dunklen Straßenecke in der Nähe unserer Unterkunft. Wer weiß, was er für ein Nachleben durchmacht und welche Abenteuer er noch erleben darf.

„Es gibt nichts Schöneres als das eigene Bett,“ höre ich noch meine Eltern sagen, auch wenn es viele Jahrzehnte her ist, dass sie diesen Ausspruch hören ließen, dafür aber sehr konstant und häufig, immer wenn man auch nur einen Tag in fremden Betten nächtigen musste. Mittlerweile kann ich dieser Weisheit auch einiges abgewinnen. Und fast genau so verhält es sich mit der eigenen Espresso-Maschine, der eigenen Terrasse und und und. Auf letzterer fanden sich auch, kaum waren wir wieder zu Hause, unsere lieben Nachbarn ein um unseren Erzählungen aus der Fremde zu lauschen.

Tja, was waren denn nun die absoluten Highlights, die Erkenntnisse, die Superlative unserer Reise, werden wir gefragt. Es fällt uns tatsächlich nicht leicht, eine eindeutige Antwort zu geben, noch dazu immer dieselbe. Einmal erzählen wir von der Naturgewalt Iguazus, einmal von der Schönheit der Cook Strait zwischen Nord- und Südinsel Neuseelands oder auch von der Aussicht vom schneebedeckten Ruapehu oder der Stille am Amazonas.

It’s the people

Aber am Ende sind es nicht die Dinge, die man besichtigt, sondern die Menschen, denen man begegnet, die am nachhaltigsten im Gedächtnis bleiben und die Magie einer solchen Reise ausmachen. Ob es Lahiru ist, der Tuktuk-Fahrer aus SriLanka, der uns immer noch schreibt oder Lewis Punya, der junge Baumpfleger aus Kenya. Häns und Inge Stolzenberg, die uns in Bangkok und in Neuseeland so liebenswert bei sich aufnahmen oder Alan und Melinda Woods aus Sydney, deren Gastfreundschaft unbeschreiblich ist. Nicht zu vergessen die Cursacks, unser Parallel-Universum in Argentinien, in deren Familienleben wir eine Woche lang eintauchen durften. „It’s the people you meet who make your journey.“ Sie alle hier aufzuzählen, ist nicht Sinn dieses Blogs. Aber wenn wir von unserer Reise erzählen, kommt immer wieder die ein oder andere Begegnung zum Vorschein und wir berichten dann gern darüber. Die Begegnungen, die Gespräche, der Austausch mit Menschen, die in völlig anderen Lebensumständen wohnen, das ist es, was das Reisen ausmacht, was wirklich bleibt, was auch nicht in Bildern oder Texten festgehalten werden kann.

Noch immer wachen wir morgens auf und müssen uns kurz vergewissern, wo wir sind und uns ein wenig schütteln. Wir sind dankbar, dass wir diese Reise machen durften, dankbar auch allen Menschen, die uns in den letzten vier Monaten begegnet sind, die uns aufgenommen haben, die mit uns gesprochen haben, die uns ein Lächeln geschenkt haben oder auch nur eine Auskunft, einen Tipp für uns parat hatten. Ihr seid es, die unsere 9-Länder-Reise zu einem unvergleichlichen und unvergesslichen Erlebnis gemacht habt. Danke, auch wenn ihr vielleicht in diesem Blog nicht ein einziges Mal erwähnt werdet.

DANKE.

Rio! Rio raubt dir den Atem

Irgendwie hat man das alles schon einmal gesehen: Zuckerhut, Corcovado mit Christus-Figur, Copacabana, Ipanema. Und trotzdem zieht uns der Anblick dieser Stadt in seinen Bann. Als der Taxifahrer, der uns vom nationalen Flughafen Aeroporto Santos Dumont abholt, um die Ecke biegt und uns in dem typisch näselnden brasilianisch Portugiesich „Copacabana“ über seine Schulter zuwirft, müssen wir uns beide unverhohlen angrinsen und eine unheimliche Freude überkommt uns.

Später, tief in der Nacht im 17. Stock des Portobay Hotels an der Avenida Atlantica, liege ich immer noch wach und schaue hinunter auf das Lichtband aus weißen Autoscheinwerfern und roten Rück- und Bremslichtern, das nicht abreißen will. Links davon der breite, helle Streifen. Es könnte auch Schnee sein, wenn ich es nicht besser wüsste. Das musste der sagenhafte  und vielbesungene Strand der Copacabana sein. Und wieder zauberte dieser Name ein Grinsen in mein Gesicht, eine Vorfreude auf die Tage, die vor uns lagen. Nach all den AirBnBs und den weniger komfortablen Unterkünften am Amazonas hatten wir uns für die abschließenden Tage in Rio ein schickes kleines Hotel gegönnt. Und das Portobay hielt, was es versprach: superfreundliches und professionelles Personal, Sauberkeit, sensationelle Lage, Rooftop-Bar mit kleinem Pool und ein Frühstück, das bis auf einen wirklich guten Cappucchino – aber den finde mal irgendwo in Brasilien – kaum einen Wunsch offen ließ. Das Obst ist schon allein das Frühstücken wert und Mangos in Brasilien schmecken nicht wie Mangos in Deutschland. No, sir.

Als es schließlich hell wird, entwickelt sich der Strand – jetzt ist auch klar, es ist kein Schnee – immer mehr zum Wimmelbild a la Ali Mitgutsch. An Schlafen ist jetzt erst recht nicht mehr zu denken: unter mir wird gejoggt, gewalkt, gebiket was das Zeug hält. Ein Drill Sergeant hat einen Fitness-Parcour mit Hütchen, Leitern und Gewichten aufgebaut. Seine Trillerpfeife gibt den Wechseltakt an, in dem seine Clients die Stationen wechseln. Hotelmitarbeiter schleifen Sonnenschirme und -liegen in die vorderen Ränge des Strands und bauen dort ihre temporären Festungen auf. Styropor-Kühlboxen werden mit frischem Eis gefüllt, Kokosnüsse darauf drapiert – Oh diese Kokosnüsse bzw. ihr Wasser. Es gibt kein erfrischenderes Getränk, von einer gut gekühlten Halbe Heckel in Waischenfeld einmal abgesehen.

Es ist noch nicht einmal 6 Uhr am Morgen und die ersten Wellen-Pioniere sind bereits am Start, testen die Wassertemperatur und die Wucht der Wellen. Überraschenderweise, zumindest für mich, sind keine Surfer am Start. Wahrscheinlich keine brauchbaren Wellen und der Strand zu steil ins Meer abfallend (reine Mutmaßung eines passionierten Surf-Beobachters, der selber noch nie auf einem solchen Brett stand). Allmählich hielt es mich auch nicht mehr auf meinem, wenn auch äußerst bequemen, Zuschauerplatz. Ich wollte selber den feinen Sand zwischen den Zehen spüren und erschrecken, wenn die anbrandenden Wellen den Weg weiter nach oben fanden als erwartet und nicht bei den Knöcheln halt machten. Also los. Was gibt es Schöneres als einen Strandspaziergang am Morgen. Hatte ich anfangs noch den Ohrwurm „An der Copa, Copacabana…“ im Kopf, wurde er jetzt überlagert von Louis Armstrong „What a wonderful world!“

Neben dem Glücksgefühl machte sich auch ein Gefühl der Dankbarkeit breit: dies alles erleben zu dürfen, zusammen mit Ingrid, und, dass auf dieser Reise bislang alles gut geklappt hatte (ein paar Ausnahmen bestärken dabei das Gefühl sogar noch), wir nicht schon im November in Nairobi abbrechen mussten, wir gesundheitlich weitgehend stabil waren und und und…

Nach dem Frühstück – hatte ich schon erwähnt, wie toll das Obst dort war? – machten wir uns auf, die touristischen Highlights von Rio zu erkunden, und davon gibt es ja durchaus ein paar. Natürlich durfte eine Bahnfahrt zu „Christo Redentor“, eine Gondelfahrt auf den Zuckerhut, eine Tramfahrt nach Santa Teresa, ein Besuch der berühmten Treppe Escadaria Selaron und der wirklich einzigartigen Kathedrale nicht fehlen.

Dank der riocard, die wir dem ausschließlich portugiesisch beherrschenden Automaten in der Metrostation abtrotzten, waren wir nicht auf Uber-Fahrten angewiesen, sondern nutzten Metro, Tram und vor allem das schier unüberblickbare Netz der Stadtbusse. Zwar stiegen wir nie in den von mir ausgeklügelten Bus mit der Nummer soundso, sondern dank Ingrids Spontaneität in einen anderen, der „bestimmt auch dorthin fährt“. Aber fast immer kamen wir wundersamerweise (und google maps half auch ein bisschen) da an, wo wir hinwollten.

Besonders beeindruckend fanden wir das Museum der Zukunft, Museo do Amanha, zum einen seine futuristische Architektur, zum anderen aber auch die Inhalte, die man versucht zu vermitteln. Rio ist immer dann überwältigend, kolossal, einzigartig, wunderschön, wenn man auf einem der vielen Aussichtspunkte steht und das grandiose Zusammenspiel aus Meer, Buchten, Felsen und Wald kaum fassen kann, wahrlich eine der schönsten Städte der Welt, was das Setting und die umgebende Kulisse angeht.

Zurück in die Zivilisation

Der Abreisetag hielt völlig unvermutet noch einmal Abenteuerliches parat. Zunächst begann der Vormittag mit einem letzten Jungle Walk. Noch einmal waren wir fasziniert, als James unter einem Nut-Tree stehenblieb, eine große braune Kugel, ähnlich einer Kokosnuss aufhob und mit wenigen Hieben seiner Machete aufschlug. Heraus purzelte ein knappes Dutzend dattelförmige, harte Früchte, die wir nicht zuordnen konnten. Die Teile mussten per Machete von ihrer Hülle befreit werden. Zum Vorschein kamen die uns wohlbekannten Paranüsse.

Die Gegend um Manaus ist das Zentrum der Produktion dieser großen, wohlschmeckenden und gesunden Nuss. Sie wird dort Brazilian Nut oder auch Kastai do Brazil genannt. Zwei Stück pro Tag wäre eine gesunde Ration für jedefrau und jedermann. Ihr Verzehr und Genuss wird für uns ab jetzt immer mit unserer Brasilien-Reise verbunden bleiben.

Zunächst hatten wir noch Glück. James nannte es Tarantula-Sunday, denn er fand für uns noch einige sehenswerte Exemplare, die er mit seinem Grashalm-Speichel-Trick aus ihren Höhlen lockte.

Nach einer halben Stunde Jungle Walk hielt James plötzlich inne. „You hear?“ machte er uns auf ein immer lauter werdendes Rauschen aufmerksam. Wir mutmaßten seinen Ursprung: „a plane?“ – „wind?“ – „an animal?“ James schüttelte nur kurz den Kopf und ließ verlauten: „Rain. Will come soon. Much rain.“ Keine Minute später brach er los, als hätte jemand auf den On-Button gedrückt. Wortlos und ohne Umschweife, triefend nass machten wir uns auf den Rückweg zur Lodge. Jetzt hatten wir also auch den Ursprung des Wortes „Regenwald“ erfahren.

Nach dem Lunch stand unsere Abreise bevor. Koffer gepackt, die nicht mehr zu trocknenden Teile extra in Plastik verstaut, warteten wir auf das Boot, das frische Dschungel-Experiencer bringen sollte und uns danach zur Abfahrt des VW-Busses. Der Regen hielt unvermindert an und wir fingen an Bad Case Scenarios, Worse Case Scenarios und Worst Case Scenarios auszumalen. Um Reisestress zu vermeiden hatten wir zwischen Rückreise nach Manaus und Abflug nach Rio eine Nacht Puffer in einem Hotel Manaus gebucht. Doch das für 14:00 angekündigte Boot kam nicht und kam nicht. Informationen flossen spärlich. Der Handyempfang an der Bootsanlegestelle sei schlecht, die Mud-Road wahrscheinlich schwer zu befahren etc etc. In Ermangelung einer Reiseleitung in der Lodge wuchsen der Köchin und dem Guide James auf einmal organisatorische Aufgaben zu. Erstere aber sprach mit uns nur Portugiesisch und wir verstanden nichts, James lag in seiner Hängematte und chillte. Er könne nichts für den Regen und auch nicht für den schlechten Zustand der Straßen, da sei der Präsident zuständig, und der tue nichts. Kurz vor vier regnete es nach wie vor und das Boot war noch immer nicht in Sicht. James eröffnete uns, dass eine eingestürzte Brücke auf dem Weg ohnehin nur bis 18:00 Uhr umfahren werden könne und es am besten wäre, wir würden noch eine weitere Nacht in der Lodge bleiben. Am nächsten Morgen könnten wir ja um 5:00 Uhr morgens aufbrechen und würden dann bestimmt auch noch unseren Flug erreichen. No problema. In diesem Moment riss Ingrids ohnehin dünner Geduldsfaden und ihrem fulminanten „I will go today.“ hatte auch  James nichts mehr entgegenzusetzen.

Als hätte ihn uns der Himmel geschickt, tauchte urplötzlich ein Boot auf, dessen Fahrer wohl Küchen-Abfälle für seine Schweine abholen wollte. Kurzentschlossen wurde dieser „local guy“, dessen Namen wir nicht in Erfahrung bringen konnten und wohl auch nie werden, vereinnahmt und engagiert. Ehe er es sich versah saßen Ingrid und ich in seinem Aluminiumboot, samt unserem Gepäck. Jungle James nahm wieder seine Lieblingsposition als Gallionsfigur ein, dirigierte das Boot und half mit dem Paddel, wenn das Schilf wieder zu dich wurde. Wir wussten, dass die Umfahrung der defekten Brücke ab 18:00 Uhr geschlossen werden würde und waren deshalb in Eile. Was passieren würde, wenn wir dort zu spät ankommen sollten, malten wir uns erst gar nicht aus. Keine Zeit, jetzt auch noch das Worst-Case-Scenario-Spielchen zu spielen. In Rekordzeit erreichten wir die Anlegestelle. Local Guy und Jungle James schleuderten ihre Sandalen von den Füßen, schulterten unsere Koffer und los ging’s durch die rote Matsche.

Der VW-Bus konnte nämlich aller Fahrkünste die letzten 1,5 km zur Anlegestelle nicht bewältigen. Also hieß die Devise: alles tragen und am besten nicht ausrutschen. Hinter unseren beiden Sherpas versuchten wir Tritt zu halten, schließlich hatten wir nur unser „Carry-On-Gepäck“ zu schleppen. Und tatsächlich stand nach der ich-weiß-nicht-mehr-wievielten Kurve und mit einem gefühlten halben Meter Schlamm unter den Salomon-Trekking-Shoes der VW-Bus auf, Heckklappe geöffnet. Alles reingehievt, James und Local Guy noch 10 US-Dollares in die Hände gedrückt, mit 3 Kilo Schlamm an den Schuhen in den Bus gehoppst und los ging die Four-Wheel-Power-Slide-Fahrt zurück in die Zivilisation.

Wir erreichten die Brückenumfahrung 10 Minuten vor Toreschluss und wenig später saßen wir erneut im Schnellboot über den Amazonas nach Manaus. Ein Uber-Fahrer erledigte den Rest unserer Rückreise in die Zivilisation. Selten hatten wir uns so auf eine funktionierende Dusche gefreut, deren Wasserstrahl den Namen auch wert war. Das Konglomerat aus Insektenschutzmittel und Schweiß, das sich auf der Haut wie ein Schmierfilm angesammelt hatte, ließ sich tatsächlich wieder aufweichen und entfernen. Intercity-Hotel in Manaus. We love you.

Mit Jungle James in den Amazonas

Punkt 8:00 Uhr standen wir wie vereinbart vor den Türen unseres Hotels und warteten auf den angekündigten Driver. Um 8:30 Uhr gesellte sich noch ein schwedisch-schottisches Pärchen dazu, die auf denselben Fahrer warteten, allerdings eine halbe Stunde später angekündigt. Um 10 nach 9 kam schließlich ein in die Jahre gekommener Kleinwagen, der schon bei zwei Koffern Probleme gehabt hätte, geschweige denn bei vier erwachsenen Personen samt jeweils einem großen Reisekoffer. Die Problemlösung, wir sollten doch umpacken, nur das Nötigste mitnehmen, und die großen Koffer im Hotel deponieren lehnten wir strikt ab, auch weil wir den Veranstalter noch am Vortag über unser Gepäck informiert hatten. „No problema!“ Schließlich wurde noch ein Uber organisiert und wir fuhren mit zwei Pkws zur Bootsabfahrtsstelle am Rand von Manaus.

Ein Schnellboot setzte uns über auf die andere Seite des Amazonas, hielt auch kurz an der Stelle des Zusammentreffens des Rio Negro und des Amazonas und ließ uns das Hell-Dunkel-Spiel begutachten.

Am anderen Ufer wartete schon unser nächster Luxury-Transport auf uns: ein VW-Bully, geschätztes Baujahr 1970 mit einer leicht angerosteten Schiebetür, die aber mithilfe eines Stücks Wellpappe und Panzerband professionell getapet war. Die Fahrt über den Amazonas-Highway hat zunächst gut geklappt. Die beiden eingestürzten Brücken wurden routiniert umfahren und das Abbiegemanöver in eine ungeteerte rote Mud-Road souverän gemeistert. Erst als die Hinterachse des VW-Buses unüberhörbar zu krachen und quietschen anfing und auch ein paar ruckartige Anfahr-Versuche in beide Fahrtrichtungen keine Besserung nach sich zogen, wurde eine weitere Pause nötig. Der Fahrer montierte das Rad ab, wobei ein paar Äste aus dem Urwald das Problem des zu kleinen Wagenhebers egalisierten, und nach ein paar gezielten Schlägen mit einem Schraubenschlüssel auf die Bremsscheiben : no problemo. Die Fahrt durch die rote Matsche konnte weitergehen. Immer wenn der Fahrer eine besonders tief vermatschte Passage gemeistert hatte, bejubelte er sich selber mit gereckter rechter Faust am Rückspiegel.

Schließlich erreichten wir die letzte Umsteig-Station erreichten, wo wir erneut in ein Boot umstiegen, das uns zwar leicht überladen vorkam mit insgesamt acht erwachsenen Personen und ziemlichem Gepäck, aber immerhin blieben noch acht Zentimeter Platz zwischen Bordkante und Wasseroberfläche. Wenn die Schraube des Außenborders im Schilf steckenblieb, wurde kurzerhand zum Paddel gegriffen und sobald das Boot wieder freilag, die Schraube per Machete von den Pflanzen befreit. No problema.

Nach dieser abenteuerlichen Anfahrt hatten sich unsere Erwartungen, was die Alligator Lodge betraf, von ganz alleine auf ein Minimum heruntergeschraubt. Zum Glück, so war der Anblick der mittlerweile in Ipanema Lodge umgetauften Unterkunft – klingt ja auch weniger gefährlich und irgendwie heiterer – weniger desillusionierend. Nach den Fotos des Veranstalters auf seiner Homepage war die „Anlage“ zwar wiederzuerkennen, aber doch ziemlich heruntergekommen und kaum gewartet. Details wollen wir unseren Lesern an dieser Stelle ersparen. Nur so viel:

Eine sofortige Rückreise mit Abbruch des Amazonas Adventures schloss sich aufgrund der Abgelegenheit der Lodge aus. Wir machten also erst einmal das Beste aus der Situation, kauften uns zwei Bier und tauschten uns mit den anderen „Abenteurern“ aus Schweden/Schottland, Belgien und Holland aus. An Gesprächsstoff unter Travellern mangelt es ja nie.

Und dann war da noch James, genannt Jungle James, in militärisches Camouflage gewandet und mit sehr dominierender Stimme ausgerüstet. Er eröffnete uns die Zeitplanung für die nächsten Tage und wir beschlossen, uns erst einmal darauf einzulassen. Als er auch noch die handtellergroße Spinne an der Wand unseres Schlafzimmers ohne großen Kommentar entsorgt hatte, blieb uns nur noch die Entscheidung, ob wir die Nacht durchschwitzen wollten oder den ohrenbetäubenden Lärm der leidlich funktionierenden AirCondition ertragen wollten. Wir entschieden uns für die zeitversetzte Kombination aus den beiden Optionen, was die Nacht insgesamt auch nicht wirklich geruhsam werden ließ.

Naja, irgendwie passt man sich dann immer doch an die Situation an und versucht das Positive rauszuziehen. Und es gab auch viel Positives an unserer Amazonas-Challenge. Die Gemeinschaft unserer Mitreisenden ließ sich jedenfalls ganz spannend an und die Exkursionen mit Jungle James waren für uns neues, unerforschtes Terrain. Noch nie zuvor hatten wir das Zerren von Piranhas am Köder unserer einfachen Angelruten gespürt. Nebenbei bemerkt, zeigte sich hierbei Ingrids bisher unentdecktes Talent fürs Fischen. Piranha nach Piranha zog sie aus den trüben Wassern des Amazonas-Nebenflusses, dass es eine Freude war. Ich hatte ja schon Ähnliches vermutet. Wer mit dem Nachnamen Hecht geboren wird, dem ist das Fischejagen ins Blut gelegt, in der DNA verwurzelt, kurz angeboren.

Noch nie zuvor hatten wir Süßwasser-Delfine neben uns schwimmen sehen und noch nie zuvor waren wir durch so dichten Urwald gewandert an uns unbekannten Baumriesen vorbei, während die Stimmen von Vögeln und Affen um uns herumhallten. Wenn Jungle James dann mit einem bespucktem Grashalm in einem unscheinbaren Loch stocherte und eine ziemlich behaarte und ziemlich große Tarantel herauskrabbelte, stockte uns Dschungel-Laien der Atem. Zur Erleichterung aller suchte diese ganz schnell wieder das Dunkel ihrer Höhle auf. In der Folge streiften unsere Blicke den Boden nach ähnlichen Höhlen ab bis unser Guide beherzt in das Dickicht griff und einen kleinen Giftfrosch zwischen Daumen und Zeigefinger gefangen hielt um ihn uns zu präsentieren. Wie er diesen erspäht hatte und auch noch packen konnte, blieb uns allen ein Rätsel. Er meinte dazu nur: „Eagle-eye, without me you would see nothing here,“ womit er natürlich völlig recht hatte.

Sein größtes Kunststück packte James aber erst am dritten Tag aus. Es war schon dunkel geworden, als wir immer noch mit unserem Boot unterwegs waren. Er stand vorne wie eine Gallionsfigur und durchsuchte das Wasser und das Schilf mithilfe einer Stirnlampe, während sein Assistent, dessen Name klang wie der ehemalige Stürmer des FC Bayern Giovane Elber, das Boot steuerte. Plötzlich beugte sich James tief aus dem Boot, griff ins Schilf und reckte triumphierend einen Kaiman in die Höhe, mit festem Griff direkt hinter seinem Kopf. Das Reptil ließ mit geöffnetem Maul eine blitzsaubere Reihe von Zähnen blitzen, war aber in James festem Griff völlig erstarrt. So stieg er von vorne nach hinten durch das Boot, so dass jeder von uns Nahaufnahmen und Hautkontakt machen konnte. Anschließend entließ er den Kaiman wieder in sein Revier nicht ohne ihm noch ein „Good luck, my friend,“ mitzugeben. Eagle-Eye Jungle James hatte uns mal wieder gezeigt, was für ein toller Hecht (sorry, Ingrid) er ist. Prädikat: sehr beeindruckend.

Dschungel-Camping stand auf dem Programm. Pünktlich um 3:35 pm (James‘ Standard-Zeitangabe) standen wir (1 deutsches Pärchen, 1 belgisches, 1 holländiches, 1 schwedisch-schottisches) abfahrtbereit mit leichtem Gepäck und viel Mückenspray. Mit ins Boot kam eine große Zeltplane, 10 Hammocks (Hängematten), ein Kessel mit einem Gemisch aus Essbarem, 30 Liter Wasser und ein Cooler mit diversen Getränkedosen und Eis. So ausgerüstet legten wir ab, paddelten 30 Minuten flussabwärts und legten an. Nachdem Informationen vorab (wie immer) sehr spärlich geflossen waren, wusste niemand ganz genau, was folgen würde. Brasilianisches Motto: man muss nicht immer alles ganz genau vorab wissen. Also, alles Material auf die Schultern verteilen und Abmarsch durch den Dschungel hinter dem Machete schwingenden Jungle James her. Nach 20 Minuten hatten wir den vorgesehenen Camp-Platz erreicht, wo auch schon ein paar Dinge rudimentär vorbereitet waren. Während wir zusammen unseren Schlafplatz in Form von acht nebeneinander hängenden Hammocks vorbereiteten, zeigte uns James mehrere Möglichkeiten, aus vorhandenem Naturmaterial mit Fingerfertigkeit und Machete nützliche und/oder dekorative Dinge herzustellen: Essbehälter aus Bananenblättern, Tischoberfläche aus Palmwedeln, Fächer und Kronen für die Prinzessinnen und Königinnen des Dschungels. Elber hatte schon Feuer gemacht und bald brutzelten Würstchen und Fleisch aufgespießt um die Feuerstelle.

Soweit war alles gut, interessant, spannend, abenteuerlich. Als wir uns nach Essen, Trinken und Small Talk in unsere Hängematten begaben, blickten wir den angekündigten Nachtgeräuschen des Dschungels mit gespannter Erwartung entgegen. Allerdings wurden das Summen der Moskitos, das Pfeifen von Vögeln und das Knurren der Affen von einem dominierendem Geräusch übertönt: dem Schnarchen aus Schweden. Schnarchen ist falsch. Was der Skandinavier in 30-sekündigem Intervall von sich gab, ähnelte mehr dem Brüllen eines Löwen oder dem Röhren eines Elchs. Ich war ja schon vor vielen Jahren einmal, bei einer mittlerweile legendären Englandfahrt in den „Genuss“ mehrerer Nächte zusammen mit dominierenden Schnarchern – ich möchte hier keine Namen nennen (wer Genaueres wissen will, der wende sich an Thomas Z. aus E.) –  in einem Raum gekommen und  hatte seitdem gedacht, dies sei der Gipfel dessen, was menschliche, in diesem Fall männliche Kehlen hervorbringen können. Doch weit gefehlt. Was der Schwede, knapp 1,50 Meter neben mir, hervorstieß, ließ unsere Gefühlswelt von einem Extrem ins Nächste schwanken: erst belustigt (ungefähr fünf Minuten), dann beunruhigt, verärgert, stinksauer, fremdenfeindlich (und das mir), aggressiv, Mord nicht gänzlich ausschließend. Kurzum: die gefühlt längste und unangenehmste Nacht meines bisherigen Lebens, immerhin mehr als 60 Jahre, das macht zusammengenommen mehr als 21.900 Nächte.

Schließlich boten sich auch kaum Alternativen an, die man ansonsten bemüht, im Falle schlafloser Nächte. Aufstehen und sich kreativ beschäftigen? Aber womit und wo? Nachts im Dschungel, umgeben von Millionen Moskitos und sonstigem Getier. Es blieb also nur: aushalten und durchstehen, bis zur ersten wahrnehmbaren Helligkeit. Bauchatmen und Omm-Brummen. Aufkommende böse Gedanken vertreiben und durch bessere ersetzen. Ist schwer. Hat aber irgendwie geklappt. Das war sie also, die ultimative Jungle-Experience.

Danke Schweden.

Jungle James musste zugeben, er hätte Ähnliches auch noch nie erlebt. Ihm wäre es aber egal gewesen, weil er in diesen Nächten als verantwortlicher Guide ohnehin nicht wirklich schlafe, sondern wie eine Katze nur schlummere und immer bereit sei, falls es hieße, aktiv zu werden. Ich hätte es tatsächlich sehr befürwortet, wenn er aktiv geworden wäre, in welcher Form auch immer.

Das Paris der Tropen – Manaus

Marmor aus Italien, Gußeisen aus Schottland, Malerei aus Frankreich und Porzellan aus Deutschland – und all dies in einem Opernhaus am Amazonas, mitten im Dschungel quasi. Marcus, ein junger brasilianischer Guide mit sehr gutem Englisch erklärte uns, warum das überaus sehenswerte Teatro Amazonas im historischen Zentrum von Manaus so entstehen konnte. Die sogenannten „Rubber Barons“, die Gummi-Barone, die mit dem Handel von Kautschuk, gewonnen aus brasilianischen Gummibäumen, ein Vermögen verdienten, ließen dieses wunderschöne Theater nach dem Vorbild großer europäischer Häuser bauen. Aus Prestigegründen und nicht zuletzt um ihren Frauen und Familien etwas Kultur bieten zu können, wenn sie schon in das heiß-schwüle Tropenklima am anderen Ende der Welt umzogen. Ein wenig Paris in den Tropen. An Geld sollte es jedenfalls nicht scheitern, immerhin war Manaus Ende des 19. Jahrhunderts eine der reichsten Städte der Welt, dank dem Gummihandel. Zwar war es damit auch wieder relativ schnell vorbei, als das Business sich nach Malaysia verlagerte. Aber das Opernhaus blieb und ist bis heute ein Besuchermagnet. Luciano Pavarotti sang hier und Baryshnikov tanzte hier. Und jetzt waren auch WIR hier 😉

Dabei war Manaus erst einmal nur Zwischenstation und Anflugort für unsere anschließende Amazonas-Adventure Tour, über die wir im nächsten Blogeintrag ausführlich berichten werden. Der Ort am spektakulären Zusammenfluss des Rio Negro und des Amazonas, die über 10 Kilometer deutlich sichtbar nebeneinander herfließen ohne sich zu vermischen, der schwarze und der braune Fluss, hat uns positiv beeindruckt, nicht nur wegen des Opernhauses.

Die Plaza davor mit dem 4-Kontinenten-Brunnen gefällt uns besonders gut. Das wellenförmig schwarz-weiße Pflaster spielt mit dem Motiv des Zusammenflusses und mit dem Besucher ein optisches Spielchen. Man meint der Platz wäre uneben oder würde sich wellen. Weit gefehlt. Optische Täuschung. Was die Wahrnehmung uns doch manchmal für Streiche spielt.

Am Abend gibt es Live-Musik satt rund um die Plaza mit schöner, entspannter Atmosphäre.

Unser Saint Paul Hotel ist sauber und günstig. Es wartet mit einer geräumigen Suite im 11. Stock auf. Wifi funktioniert. Klima funktioniert. 50 Euro für die Nacht inklusive Frühstück. Da kann man auch einmal über eine fehlende Tür vor dem Klo beim Frühstücksraum hinwegsehen.

Mit Piranhas, den berühmt-berüchtigten Fischen des Amazonas machen wir auch bereits in Manaus Bekanntschaft, nämlich auf meinem Mittagsteller. Fachfrauisch zerlegt schmeckte der Raubfisch ungemein gut und am Ende des Mahls ist von dem Fleischfresser nur noch das Gerippe und der Kopf mit den nadelspitzen Zähnchen übrig.

Im Vordergrund der noch nicht zerlegte Piranha, links aus dem Fenster der Blick auf das wunderbare Teatro Amazonas mit seiner Kuppel in Brasilien-Farben.

Der Einstieg zu unserem Amazonas-Abenteuer hätte nicht vielversprechender sein können. So ging es am nächsten Tag allerdings nicht weiter.

CLIFFHANGER 😉

Roma negra, das schwarze Rom

Wer’s gerne laut, heiß und hektisch mag, der ist in Salvador do Bahia genau richtig. Das schwarze Rom hat seinen Namen von den unzähligen Kirchen und den Hügeln, auf denen die Stadt gebaut ist. Und schwarz? Warum schwarz? Dazu genügt ein Blick auf die Menschen, die sich in Salvador auf den Straßen bewegen. Die Hautfarbe der überwiegenden Mehrheit lässt auf einen Family-Background aus Afrika schließen. Kein Wunder, denn der Sklavenhandel blühte in Salvador, nicht zuletzt aufgrund der geografischen Nähe zu Afrika, jahrzehntelang auf. Die Kultur, die sie mit in die Allerheiligenbucht brachten ist heute noch unverkennbar. Die Buntheit, die Lebendigkeit und vor allem der Rhythmus, die Musik prägen die Stadt.

Von der später erschlossenen Unterstadt direkt am Meer, fährt man am besten mit dem Elevador, einem Aufzug der 12 Real-Cent kostet, also eigentlich nichts, in die Oberstadt, der historischen Altstadt Salvadors. Schlendert man dort über die Plazas und durch die Gassen, hat man Mühe die Trommel-Rhythmen der einen Band von denen der nächsten Gruppe auseinanderzuhalten. Darunter mischt sich noch ein Gitarrist, der auch Gehör finden möchte und eine Capoeira-Schule hat auch ihre eigene Musik dabei. Mich macht so ein Klangbrei immer kirre, aber anscheinend stehe ich ziemlich allein mit dieser Meinung.

Capoeira – eine Mischung aus Tanz und Martial Arts – wurde win Salvador gegründet

Da hilft dann nur noch Rückzug an einen möglichst schattigen Ort und eine frisch aufgeschlagene Kokosnuss schlürfen, eine der günstigsten und schönsten Genüsse in Brasilien.

Natürlich gekonnt und locker mit der Machete direkt vor Ort aufgeschlagen und mit einem breiten Grinsen präsentiert.

Salvador ist reich gesegnet an wunderbaren Stränden mit glasklarem Wasser, die sowohl von der einheimischen Bevölkerung als auch von Touristen aus dem In- und Ausland ausgiebig genutzt werden.

Auch der Kunstliebhaber kommt im schwarzen Rom auf seine Kosten, insbesondere beim Besuch der vielen Kirchen. Allein drei sind auf engstem Raum dem heiligen Franziskus gewidmet. Man fühlt sich schon fast wie ein Entdecker, wenn man tatsächlich beinahe ungestört und allein durch die Innen- und Nebenräume der krichlichen Häuser wandert.

Die Ruhe in den Kirchen steht im krassen Gegensatz zum Gewimmel auf den Straßen. Besonders unangenehm fällt uns die vielerorts anzutreffende Unart auf, dass dir erst etwas „geschenkt“ wird, ein Bändchen oder eine Kette und sobald du es angenommen hast, wird zur Kasse gebeten. Ebenso bei Einladungen zum Fotografieren oder beim Mit-Trommeln. Da hat der Spaß ziemlich schnell ein Loch ;-( Das Titelbild dieses Blogeintrags hat mich 10 Real gekostet. Was tut man nicht alles für ein Titelbild.

Der echte Karneval

Eine Betrachtung über Salvador, und sei sie auch noch so kurz, darf nicht enden ohne den Karneval. Karneval wurde nämlich in Salvador erfunden, sagen die Salvadorianer, und nur hier ist der echte Volks-Karneval zu finden. Rio? Achso, Karneval in Rio gibt es auch, aber der wird eher als eine Samba-Show-Veranstaltung verstanden. In Salvador bereitet man sich sechs Monate auf Karneval vor, feiert ihn dann ausgiebig um sich dann sechs Monate davon zu erholen. Drei Millionen Menschen mehr als sonst tummeln sich dann auf den Straßen. Ich mag es mir lieber nicht wirklich vorstellen. Im Karneval-Museum bekommt man einen leichten Vorgeschmack und einen Einblick in seine Geschichte. Prädikat: sehenswert.

Die Fotografin zur Abwechslung einmal selbst abgelichtet, vor dem Karnevals-Museum.

So bunt, so vielfältig, so laut, so interessant, aber auch so nervig Salvador mir vorkam, so froh war ich doch, dass die Fotografin, die vor 10 Jahren schon einmal vor Ort war, diesen Ort auf unsere Reise-Itinerary gesetzt hat. Salvador da Bahia, man mag dazu stehen wie man will, ist auf jeden Fall einen Stopp wert. Es muss ja nicht unbedingt während des Karnevals sein, oder vielleicht gerade dann, werden sich sicherlich manche denken. Also denn!!

Iguazu – kaum fassbar

incredibile – unfassbar – kaum zu glauben: die Wasserfälle von Iguazu in Argentinien und Brasilien

Wenn man die Schöpfungsgeschichte für bare Münze nimmt und den Moment, den Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle so genial umgesetzt hat, wenn sich die beiden legendären Finger fast berühren, aber doch nicht ganz. In diesem Moment muss es geknallt haben, und wenn es diesen Moment wirklich gegeben hat, dann hat er hier stattgefunden, hier in Iguazu, an der Grenze zwischen Argentinien, Brasilien und Paraguay.

Diese Schönheit, diese Urgewalt, diese Mannigfaltigkeit in der Natur ist nicht überbietbar. Man könnte eine Million Bilder machen – und die werden wahrscheinlich auch wirklich jeden Tag geschossen an diesem magischen Ort – man könnte Millionen Worte schreiben, und dennoch wird man diesem Naturschauspiel (und hier passt das Wort so wie nirgendwo anders) nicht gerecht werden.

Dabei hatte man uns gewarnt, dass aufgrund von Wasserknappheit und brasilianischen Staudämmen die Fälle nicht so spektakulär wären wie gewohnt. Seht selbst.

bissl wenig Wasser

Wir haben uns in einer AirBnB-Unterkunft eingemietet, mitten im argentinischen Ort namens Puerto Iguazu, gleich gegenüber des Busterminals. Dies erwies sich insofern als taktisch ganz günstig, weil wir alle Unternehmungen direkt dort vor Ort buchen (sehr günstig) und starten (sehr schnell) konnten.
Am ersten Tag nahmen wir also den öffentlichen Bus zu den Cataratas, so heißen die Fälle auf der argentinischen Seite, wo immerhin 80 Prozent des Spektakels liegen. Dass der Eintritt für Ausländer – und das sind wir nun mal in Argentinien – das Fünffache dessen beträgt was Einheimische zahlen, nahmen wir schulterzuckend hin, im Hinterkopf hatten wir nur, dass dies in Deutschland aufgrund komplizierter EU-Richtlinien sicher nicht möglich wäre. Im Notfall würde wohl Österreich klagen 😉

Und dann entschieden wir uns auch noch für die kostspieligste Variante, die Gran Aventura, die den Teilnehmer mit einem speziell dafür hergestellten Boot unter mehrere Wasserfälle fährt. Und wenn ich schreibe, unter den Wasserfall, dann meine ich das auch so. Vorab wird man aufgefordert, alles was kein Wasser verträgt, in einen wasserdichten Sack zu verstauen und dann geht’s los. Keine Faser bleibt dabei trocken, man sieht níchts mehr, man hört nichts mehr, nur noch Wasser überall. So touristisch das Unterfangen auch war und irgendwie auch einem Adventure Park nicht unähnlich, es war dennoch extrem beeindruckend, welche Kraft, welche Gewalt dieses nach unten fallende Wasser hat, nicht von Menschenhand manipuliert, sondern natürlich.

da waren wir noch trocken und guter Dinge

Hier ist der ca. 9 Minuten lange Video, der vom Veranstalter mit seiner GoPro bei unserer Fahrt erstellt wurde. Wir selber konnten aus verständlichen Gründen keine Fotos machen. Seht selbst.

Die Wasserfälle von Iguazu zählen zu den sieben Natur-Weltwundern und dies auch völlig zurecht. Nach der Tour zu Wasser haben wir die Fälle auch noch zu Fuß erkundet. Man läuft auf metallenen Stegen zu einigen Stellen ganz nahe an die Kante, wo das bislang ruhige Gewässer mit einem Mal in die Tiefe stürzt. Regenbögen bilden sich in der Gischt, die auf Fotos künstlich, kitschig, ge-photoshopped aussehen. Aber sie waren genau so!! Believe me.

Der Sabbaticalist kann’s nicht fassen.

Die Fotografin, die ja vor ca. 10 Jahren schon an Ort und Stelle gewesen war und dies dem Sabbaticalisten unbedingt zeigen wollte, hatte nicht zu viel versprochen. Ein gigantisches Erlebnis, das alle Anstrengungen – 44 Grad im Schatten, Busfahrten, unklimatisierte AirBnB-Behausungen etc. – wert war.

Am nächsten Tag nahmen wir auch noch den Bus zur brasilianischen Seite, inklusive stempelintensiven Grenzübergangs und kurzzeitig abhanden gekommenen Rucksacks – und auch dieser Ausflug war Zeit, Geld und Nerven wert. Auf dieser Seite kann man sich dem Teil der Fälle, der „Garganta del Diablo“ genannt wird, auf Fußgängerbrücken nähern, so dass man nicht nur von der Gischt nass wird, sondern sich auch besonders klein und demütig fühlt. Mit diesem Gefühl, aber auch sehr zufrieden verlassen wir Argentinien und machen uns auf zu unserer letzten Destination: Brazil.

Im Land des Weltmeisters

Ein Tag jünger

Seit unserem Flug über den Pazifik sind wir einen Tag jünger. Ich weiß nicht, ob man es sieht, aber es ist ein Fakt. Wieso? Naja, folgende Fakten: Abflug in Auckland am Samstag um 18:30, Flug nach Santiago de Chile, Flugdauer 11 Stunden. Ankunft in Santiago Samstag 17:30. So einfach wird man jünger.

So landeten wir also einen Tag jünger auf dem nächsten Kontinent, Südamerika, genauer gesagt Argentinien, noch genauer Buenos Aires. Temperatur-Unterschied 25 Grad, weil eine Hitzewelle im Land des Fußball-Weltmeisters uns 45 Grad im Schatten bescherte. Uff.

Trotzdem wollten wir die Stadt der guten Luft, das Paris des Südens kennenlernen.

Zwei Guides sollten uns dabei helfen. Interessanterweise waren beide keine Einheimischen, sondern Immigranten, was andererseits im “Land der Immigration“ Argentinien nichts Besonderes ist, sondern sogar der Normalfall. Vor der ersten großen Einwanderungswelle im 19. Jahrhundert zählte das Land gerade einmal 1,5 Millionen Menschen, erfuhren wir von Luke, unserem US-amerikanischen Guide und von Sam, unserem Führer aus Haiti, der mit uns bei einer 7-stündigen Fahrradtour alle Sehenswürdigkeiten der Stadt abklapperte. Trotz der Hitze kamen wir gut zurecht, nicht zuletzt weil wir uns in der AirBnB-Wohnung im Stadtteil Palermo Hollywood sehr wohlfühlten und uns gut erholen konnten, dank einer hervorragend eingestellten Klimaanlage. Wir konnten zum Glück auch problemlos einen Tag verlängern, nachdem ich aus Versehen zu kurz gebucht hatte.

Reichlich verwirrend fanden wir den Umgang der Argentinier mit Geld. Aufgrund der ausufernden Inflation existieren drei verschiedene Währungen parallel nebeneinander, was für uns schwer zu begreifen war. Wichtigste Erkenntnis: mit US-Dollars in cash ist jedes Problem lösbar. Zum Glück hatten wir vorgesorgt und ein paar Greenbacks in der Tasche. Tauscht man diese zu einem für den Tauschenden günstigen Kurs in Pesos um, ist in der Folge alles spottbillig. Zum Vergleich: in 2005, als Laura zum ersten Mal in Argentinien war, bekam man für einen Euro fünf Pesos. Jetzt sind es 350 Pesos. Im Gegensatz zu Neuseeland oder Australien, wo jeder Kaugummi mit Kreditkarte bezahlt wird, geht in Argentinien ohne Bargeld gar nichts. So trägt man zwangsläufig ständig ein Bündel davon mit sich herum.

Argentinische Pesos: sieht nach mehr aus als es ist

Kunst und Kreativität und Fußball

Wieder einmal hinterlassen die Orte, wo Kunst und Kreativität das Sagen haben, den nachhaltigsten Eindruck auf uns. Im alten Hafenviertel La Boca, so touristisch es auch sei, gefällt uns der von Benito Quinquela Martin initiierte Hang zur Farbe und zur Kreativität.

Da werden Farben an Hauswänden kombiniert, wie es sich sonstwo niemand trauen würde. Luke, unser amerikanischer Guide gab uns einen Crash-Kurs in argentinischer Einwanderungsgeschichte plus die dunklen Jahre der Militärdiktaturen. Die Tour endete wie sollte es anders sein so kurz nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft am Stadion der Boca Juniors. 50 Prozent der dort herumlaufenden Menschen schienen denselben Namen zu haben. Sie trugen alle ein weiß-hellblau gestreiftes Shirt mit Messi-Aufdruck am Rücken. Und das Shirt mit der Nummer 10 wurde wohl auch schon lange nicht mehr gewaschen, stattdessen 24/7 getragen 😉 Zurück zum Stadion. Seine besondere Form  hat ihm den Namen „La Bombonera“ beschert.

Manche meinen, dies heiße die Süßigkeiten-Schachtel. Andere behaupten, dies sei die Form eines Behälters, in dem früher von besonders geschultem Personal, Bosteros genannt, der Dreck von der Straße entfernt wurde. Bosteros, grob übersetzt Scheiße-Schaufler, so nennen sich heute, und zwar mit Stolz, die Fans der Boca Juniors, dem Kultclub Argentiniens, bei dem einst der, Messi hin oder her, unumstrittene Superstar, ach was sag ich, der Gott des Fußballs gespielt hat: MARADONA.  

Wer noch einen Beweis dafür nötig hatte, der bekam ihn am Tag des Endspiels der WM. Fast 40 Grad in Buenos Aires, Millionen von Menschen auf den Straßen, in den Cafés und Kneipen. Direkt nach dem epischen Sieg der Argentinier, fing es an zu regnen und kühlte um angenehme 10 Grad ab. Der Gott des Fußballs weinte Freudentränen vom Himmel.

Ansonsten besticht Buenos Aires mit jeder Menge Monumenten zu Ehren historischer Persönlichkeiten, von denen jeder zweite mit Nachnamen Martin zu heißen scheint. Außerdem Flaggen an allen Ecken und Enden. Zugegeben: Argentinien hat eine sehr schöne Flagge mit der Sonne in der Mitte, dem Hellblau des Himmels und dem Weiß, von dem manchen behaupten, es stünde für die überwiegend weiße Bevölkerung.

Buenos Aires und Argentinien

Die Bike Lanes, auf denen wir uns bewegen, sind so schmal, dass es nicht einfach so ist, Kollisionen mit dem direkt daneben verlaufenden Gegenverkehr oder dem sonstigen Verkehr zu vermeiden, aber immerhin, es gibt sie. Die Bike-Tour führte uns durch viele Stadtteile der argentinischen Hauptstadt, zum Beispiel das neue schicke Hafenviertel Puerto Madero oder San Telmo, Palermo Chico oder Belgrano. Je nach vorherrschender Bevölkerungsschicht unterscheiden sie sich natürlich sehr. Insgesamt gefällt uns Buenos Aires von seiner Anlage her ganz gut, allerdings gehört vieles saniert und in Stand gesetzt, ein Sinnbild für das ganze Land.

Vor hundert Jahren gehörte Argentinien zu den sieben lebenswertesten Nationen der Welt. Davon ist man heute weit entfernt. Gut gemeinte, aber schlecht gemachte Sozialgesetzgebung, Militär-Regimes, Korruption und Inflation haben dieses Land, das eigentlich alles hat – Bodenschätze, gutes Klima, fruchtbares Land, günstige Lage – in der oben bemühten Liste weit nach unten abfallen lassen. Manche hoffen auf die nächsten Wahlen und auf eine neue Regierung, aber der Glaube, dass dann alles besser wird, ist nicht weit verbreitet. Es bleibt der Rückzug ins Private. Man richtet sich ein, lässt es sich gut gehen und gibt das frisch verdiente Geld aus bevor es nichts mehr wert ist.

Zu später Stunde ist der Asador am Werk. Nicht selten wird das Asado erst kurz vor Mitternacht eingenommen: viel köstlich gegrilltes Fleisch und fast nix dazu. Argentinien eben!

Wer die Möglichkeit hat, zieht sich wann immer möglich aufs Land zurück und zelebriert dort das Familienleben mit viel Nichts-Tun, Mate-Trinken, Palaver und Essen, vorzugsweise Fleisch natürlich von ehemals glücklichen argentinischen Rindern, das gekonnt und geduldig auf Holzfeuer gegrillt wird. Dazu wird allenfalls ein wenig Brot oder Salat gereicht. Der Asador, der für das Grillen zuständig ist, wird mit Applaus belohnt, wenn er – und in den allermeisten Fällen handelt es sich um einen Er – seinen Job gut gemacht hat. Und schon sind alle „allegre“ = happy.

Familie, Familie, Familie

Was Familie in Argentinien bedeutet und wie sie gelebt wird, durften wir ein paar Tage hautnah miterleben, als uns unsere „argentinische Tochter“ Cami zu ein paar Tagen aufs Land, in die Pampa (wie wir sprichwörtlich sagen) einlud. In Yocanta, in der Nähe von Cordoba, besitzt die Familie ihres Freundes Jere (sprich: „Chere“) ein selbst gebautes Landhaus auf einem riesigen Grundstück, das noch vor wenigen Jahren komplett bewaldet war, dann aber einen Sturm und einen Waldbrand erlebte und deshalb jetzt freie Sicht über zig Kilometer in die umliegende Sierra bietet. Das Cottage besteht aus zwei geschickt angeordneten Metall-Containern mit viel Glas und Holz dazwischen. Cami hatte schon in einer WhatsApp-Nachricht angekündigt, dass „todo“, also alle, mitkommen würden. Dass sich dann drei Autos mit insgesamt 12 Personen auf die siebenstündige Fahrt von Esperanza nach Yocanta begeben würden, hatten wir allerdings nicht geahnt. Für den viertägigen Aufenthalt stand auch so gut wie nichts auf dem Programm außer Zeit zusammen zu verbringen, was für uns zunächst schwer zu begreifen war.

Jeder Tag begann mit unzähligen Umarmungen und danach mit einem gemeinsamen Frühstück, bei dem alle 12 um einen eigentlich zu kleinen Tisch im Kreis sitzen, sich jeder vom Tisch nimmt, was er möchte und viel geredet wird. Danach gilt es sich erst einmal zu entspannen, eventuell einen kleinen Spaziergang zu machen oder etwas zu spielen, zum Beispiel Billard auf dem zentral im Haus aufgestellten Pool-Table.

nicht so ehrgeizig, Sabbaticalist

Anschließend wird sich um die Zubereitung des Mittagessens gekümmert, wobei es sich meist um viele kleine Dinge wie Salate, Käse, Wurst, Brot handelt, die man erneut im Kreis sitzend zu sich nimmt. Anschließend heißt die Devise: Siesta. Ausruhen, schlafen, hang-around. Sobald alle wieder funktionsfähig sind, beginnt die wichtigste Zeromonie: gemeinsam Mate-Tee-trinken – am besten aus einem Strohhalm – man hat das Gefühl, dass ist der wichtigste „Klebstoff “ für die Familie. Anschließend beginnt man mit der wichtigsten  Vorbereitung des  Mahls des Tages, vorzugsweise eines Asados. Dies zieht sich meist in den späten Abend, weil das Fleisch mit unglaublicher Geduld über dem Feuer gegrillt oder gegart wird. Eventuell zwischendurch aufkommenden Hunger begegnet man mit Cerveza und/oder Chips oder ähnlichen Snacks. Nicht selten rutscht so das gemeinsame Mahl, jetzt an der großen Tafel, in die Nähe der Mitternacht. Kein Problem, wir haben ja Zeit und viel zu reden. All dies mag der Leserin befremdlich oder lustig vorkommen, mir liegt es aber fern, mich darüber lustig zu machen. Wie die Großfamilie über vier Generationen auf engem Raum über mehrere Tage miteinander umgeht, ist geprägt von Rücksichtnahme, Toleranz und Liebe. Niemand drängt sein Ego in den Vordergrund, Haushaltsjobs werden bereitwillig von jeder/jedem übernommen, individuelle Leistungen wie Kaffee-Kochen, Geschirrspülen oder Aufräumen werden öffentlich gewürdigt. Auch wenn die Kommunikation mit den meisten Familienmitgliedern verbal schwierig ist, weil unser Spanisch ganz einfach zu schlecht ist, fühlen wir uns integriert und verstanden.

Obwohl wir anfangs Bedenken hatten, wie die Zeit wohl gefüllt werden wird, wird uns mehr und mehr klar, welche Bedeutung für unsere argentinischen Freunde diese im wahrsten Sinne des Wortes Quality-Time miteinander hat und wir fühlen uns privilegiert und dankbar, dass wir dies so hautnah miterleben dürfen.

Natürlich spiegeln wir unser eigenes Familienleben zu Hause in Deutschland am Erlebten und konstatieren, dass wir keinen Grund und auch keine Legitimation haben, uns über den „argentinischen Ansatz“ lustig zu machen. Im Gegenteil. Wir können viel davon lernen und werden versuchen, ein wenig davon in unser Familienleben in Deutschland mitzunehmen.

Muchas gracias, nuestra familia in Argentina.

Muchas gracias Cami, Jere, Silvi, Turko, Todo, Renata,  Roque, Carmucha, Agu, Valentina und Benja. Und Igor.

Für oder gegen die Natur ?

Ein ncoh eingerolltes Blatt eines Farns, der Symbolpflanze für Neuseeland. Die Firm steckt in vielen Mustern der Maoris und symbolisiert Kraft und Leben.

Auf den ersten Blick wirkt Neuseeland wie das letzte Refugium unberührter Natur auf diesem Planeten. Milde Temperaturen während des gesamten Jahres und ausreichend Regen bescheren dem Land das Aussehen einer einzigen grünen Oase. Üppige, ausgedehnte Wälder, Hügel und Täler wie von einem grünen Teppich bedeckt scheinen sich schier unendlich hinzustrecken. Ein Paradies für Rinder und Schafe.

Doch halt, Moment, was sind das für kahle, abgestorbene Bäume, die aus dem Wald bei Picton auf der Südinsel ragen? Hat es gebrannt? – Nein, die Pinien wurden gezielt vergiftet. – Ein Anschlag, ein Attentat von Natur-Terroristen? – Wieder: nein. Das Department of Conservation, Neuseelands Naturbehörde greift hier im großen Stil ein. Die Pinie ist eine Fremdpflanze und gehört getilgt.

Das Bekämpfen von bestimmten Pflanzen, die unerwünscht sind, ist in Neuseeland weit verbreitet. Sei es Unkraut am Straßenrand oder Gräser, die den traditionellen 7-wire-fence zu überwuchern drohen oder die Pflanzen, die den pittoresken Coastal Walk in Mangarai  bedrohen, die Giftspritze ist schnell bei der Hand. Und bei den Mitteln der Wahl wird auch nicht gekleckert. Das in Deutschland verbotene Roundup ist nun einmal unübertroffen in der Wirkung.

Was für Pflanzen gilt, gilt auch für Tiere. Bestimmte Tierarten, die meist von den europäischen Siedlern bewusst oder unbewusst eingeführt wurden, gelten als „the pest“ und werden mit aller Härte verfolgt. Insbesondere Ratten, Wiesel und Opossums sind die ultimativen Feinde des neuseeländischen Naturschützers, gefährden sie doch den heiligen Vogel der Kiwis: den Kiwi. Lebendfallen, Giftportionen und Köder begleiten den Weg des Wanderers entlang vieler wunderbarer Hiking-Tracks.

Beim Betreten mancher Wälder fühlt man sich wie in der Hygiene-Schleuse eines deutschen Krankenhauses. Um das Einschleusen gefährlicher Sporen zu verhindern, wird der Besucher aufgefordert, nein, eher gezwungen, sein Schuhwerk zu säubern und zu desinfizieren, beim Eingang und beim Ausgang!

Hat man die Schleuse zum Wald gemeistert, läuft der Naturliebhaber nicht etwa auf federndem Waldboden, sondern auf einem speziell angelegten Bretterpfad mit aufgetackertem Plastikgitter.

Vor dem Verlassen des Holzwegs (Vorsicht Wortspiel!) wird mit Androhung von Strafen gewarnt. Den gigantischen Kauri-Bäumen im Waldgebiet von Waitoumo, den Wahrzeichen Neuseelands, darf man sich nicht zu dicht nähern. Kaum zu glauben, dass ein Tourist, der so einen Baumriesen berühren möchte, ihm tatsächlich unwiederbringlichen Schaden zufügt, indem er auf seine Wurzeln tritt. Gerne hätten wir den größten und ältesten Baum des Landes, den Tane Mahuta mit seinem 13 Meter Umfang messenden turmartigen Stamm umarmt, oder es zumindest versucht, aber natürlich (wieder Wortspiel!) sind wir andächtig ein paar Meter von ihm entfernt geblieben um ihn nicht zu gefährden.

Möge er noch weitere 2000 Jahre wohlbehütet weiter dort stehen und wachsen, umzäunt und auf hygienisch abgeriegeltem Boden stehend. Vielleicht muss man ihm demnächst ein Sauerstoffzelt bauen sowie eine temperierte Schutzhülle angedeihen lassen. Den Neuseeländern wäre es zuzutrauen.

So sehr der Wald, besser gesagt, bestimmte Bäume geschützt werden, so brutal und schonungslos werden sie andernorts abgeholzt. Clear-Cut ist nun einmal die bequemste Methode um aus dem Wald Profit zu schlagen. Und danach wird die nächste Monokultur gleich wieder angepflanzt. Klappt super. Sieht nicht so toll aus, macht aber nix. Für den Naturgenuss kann man ja in den Wald mit Hygieneschleuse gehen!

Clear Cut: die profitabelste Methode der Forstwirtschaft, kurzfristig gedacht.

Schlussbemerkung: meine Ausführungen mögen einseitig sein und die lokalen Naturschutzbehörden, Waldwirtschafter, Farmer, Department of Conservation-Mitarbeiter werden jede Menge Gegenargumente ins Feld führen.

Angesichts der beeindruckenden Landschaft, die Neuseeland vorzuweisen hat, beschleicht den naiven und laienhaften Besucher wie mich, der Zweifel, ob die Kiwis hier den richtigen Ansatz verfolgen.

Warum hört der Wanderer auf dem Queen Charlotte Track in der Resolution Bay kaum noch einen Vogel pfeifen? Captain Cooks Begleiter und Berichterstatter hatten geschwärmt vom Orchester der Vögel, das sie dort genießen konnten. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der neuartigen, eigenartigen Stille dort und der Art und Weise, wie Neuseeland mit seiner Natur umgeht?  Kompetentere Menschen als ich mögen diese Frage fachmännisch und fachfrauisch beantworten. Hoffentlich werden sie gehört.

Nu Zillan Art

Hundertwasser in NZ

Es muss wohl anno 1980 gewesen sein, in einer der Unterrichtsstunden des Kunst LKs des unvergessenen Wolfgang Neugebauer am Kepler-Gymnasium in Weiden in der Oberpfalz, als er mir zum ersten Mal begegnete, dieser verschrobene Österreicher mit dem ungewöhnlichen Künstlernamen: Friedensreich Hundertwasser. Mit seinen bunten Keramiken, seiner krummen Linienführung und seinen radikalen Denkansätzen brachte er mich schon damals zum Nachdenken und zum Lächeln, denn niemand, der vor einem Hundertwasser-Haus steht, behält einen grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht.

Das fiel mir sofort auf, als wir in Whangarei vom Parkplatz Richtung Jachthafen gingen. Viele Menschen, die uns entgegenkamen, waren auffällig gut gelaunt. Hundertwasser hat seinen positiven Zauber nicht verloren. Mir war nicht bewusst, dass der kauzige Österreicher von 1978 bis 2000 im ach so abgelegenen Neuseeland lebte und arbeitete, was bei ihm ja quasi unisono ist. In Whangarei wurde ihm posthum in einem eigenen Gebäude direkt am schnuckelig gelegenen Jachthafen ein Denkmal gesetzt, mit einem Haus, das dem in Wien ähnelt.

Kurios, wie sollte es anders sein, verlief auch sein Ableben. Weil er nicht  mehr fliegen wollte – 20 Jahre vor Greta!! – er aber dennoch nach Europa wollte, schwebte ihm vor, per Schiff zu reisen. Die Kosten einer Passage auf einem Kreuzfahrtschiff schienen ihm jedoch (zurecht) als viel zu hoch und er verwarf den Gedanken zunächst. Bis ein Freund ihn dennoch zu der Reise riet und Hundertwasser einlenkte, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass er die Kosten amortisieren könne indem er an Bord malte. Noch am Tag der Einschiffung legte er los, doch das Bild sollte unvollendet bleiben, weil Hundertwasser nach wenigen Tagen auf See an einem Herzinfarkt verstarb. Das unvollendete Bild hängt in der Dauerausstellung in Whangarei, während der Leichnam des Künstlers gemäß seinem Testament auf seinem Grundstück in der Nähe von Kawakawa 60 Zentimeter unter der Erde, nackt, mit einem über ihm gepflanzten Tulip-Tree bestattet wurde. Lieber Blog-Leser, hast du gerade ein Lächeln im Gesicht? Hundertwasser eben!

Kunst und Künstler in NZ

Dass ein Künstler wie Hundertwasser sich in NZ wohl fühlt ist nicht verwunderlich und deshalb auch kein Einzelfall. Kunst wird allenthalben geschätzt und gefördert. Ein paar Beispiele gefällig?

In den großen Städten wie Wellington und Auckland ist Kunst im öffentlichen Raum allgegenwärtig. Kein Platz ohne Skulptur oder Installation. Wände und Alltags-Objekte werden von Künstlern genutzt und gestaltet.

In der Art Gallery of Auckland besuchten wir eine geschickt kuratierte Ausstellung über Frida Kahlo und Diego Rivera. Weltkunst zu bewundern in der hintersten Ecke der Welt.

Dabei kann man letzteres auch ganz anders sehen. Im Whaling Museum in Butler’s Point fiel uns eine Weltkarte ins Auge, die Nu Zillan (so sprechen die Kiwis ihr Land aus) in der Mitte der Welt zeigt. Interessante Variante. Meist wird es ja ganz anders dargestellt.

Auf den Steinmetz-Wettbewerb in New Plymouth möchte ich hier noch einmal verweisen. Leider konnten wir die Resultate der drei Wochen Flexen, Meißeln und Schleifen nicht live sehen. Im Netz finden sich aber respektable Ergebnisse.

Der Vater von Franz von Hahn und Johnny Mauser

Unser persönlichstes Erlebnis mit einem lebenden Künstler ergab sich an einem wunderschönen Sonntag-Nachmittag, als wir von unseren Freunden Inge und Häns, bei denen wir ein paar Tage wohnen durften, auf die Terrasse von Helme und Kiki Heine geführt wurden. Hoch über dem Hafen von Russell saßen wir beschwingt von einem Gläschen Weißwein und plauderten mit dem Vater von Franz von Hahn und Johnny Mauser. Wie oft hatten wir die Geschichten der „Freunde“ unseren Töchtern vorgelesen? Das Beste was es an Kinderliteratur in Deutschland gibt. Dass die Heines noch viele weitere Projekte, Romane, Kalender und und und erschaffen haben und auch weiterhin täglich nach straffem Tagesablauf kreativ tätig sind, war interessant zu erfahren. Ein besonderer Nachmittag mit besonderen Menschen, ein weiterer Höhepunkt unserer Reise.

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