ein Lehrkörper hat frei, und nicht nur nachmittags

Kategorie: Australien

Von den blauen Bergen kommen wir…

Wir hatten erst einmal nicht erwartet, 90 Minuten außerhalb von Sydney zu sein, und hatten zugegebenermaßen auch nicht genau genug recherchiert. Da waren wir also in Woodford, in den Blue Mountains, bei Alan und Melinda. Und wie es nun mal so ist. Unverhofft kommt oft. Alan, unser Gastgeber entführte uns am Tag nach unserer Anreise mit seinem Auto in die Blue Mountains, erst nach Katoomba, dem ehemaligen Kur- und Spa-Ort für die Leute aus Sydney, die es sich leisten konnten, entweder der Hitze, dem Nebel oder dem Stress der Großstadt zu entfliehen. Die Hauptattraktion Katoombas ist ein Wanderweg zu einer spektakulären Felsformation, genannt Three Sisters. Normalerweise wären wir nie hier gelandet, sondern wären wohl stundenlang zwischen den Hochhäusern Sydneys herumgelaufen. So aber erkannten wir sofort, was die Stunde geschlagen hatte. Wie ein Wink des Schicksals präsentierte sich uns Laura, Eva und Amelie sowie rechts daneben, etwas kleiner unser Mariechen. Alles klar? Wir MUSSTEN quasi hierher kommen.

Katoomba war mittlerweile zu einem Ort geworden, an dem sich Touristen trafen um die spektakuläre Natur zu beobachten, unterfüttert von geschäftstüchtigen Businesses, die eine Seilbahnfahrt und einen Aufzug ambieten. Katoomba ist aber auch der Lebensmittelpunkt vieler Künstler, Musiker und Schriftsteller. Dementsprechend fühlt sich auch die Atmosphäre dort an.

Alan, der es gewohnt ist, den Fremdenführer zu geben, weil er und seine Frau gerne und unkompliziert Freunden und Freundesfreunden Gastgeber sind, war nun in seinem Element. Er fuhr uns von Ort zu Ort, von Lookout zu Lookout nicht ohne zwischendurch in seinem Lieblings-Café einen Zwischenstopp einzulegen. Dabei spielte auch das ehemalige Tagebau-Gebiet „The Lakes“ eine große Rolle, in dem er und Peter (!!) bei der Renaturierung wichtige Rollen spielten. Auch die Ruder- und Kanustrecke bei den olympischen Spielen 2000 liegt in diesem Gebiet. Die dürfen wir natürlich nicht links und auch nicht rechts liegen lassen. Auf einer Bronze-Säule waren alle Medaillengewinner von 2000 verzeichnet, unter anderem die deutschen Legenden Birgit Fischer und Marcel Hacker.

Am Abend revanchierten wir uns ein wenig für die Woods’sche Gastfreundschaft, indem Ingrid ihre sagenhaften gefüllten Pfannkuchen kochte, die wir dann gemeinsam verspeisten. Alans selbstgebrautes Bier stellte die perfekte Ergänzung dazu dar. Sehr respektabel, was sich der studierte Landwirtschafts-Ingenieur an Bier-Know-How angeeignet hatte.

Was ist nun besser? Sydney? Oder doch Melbourne?

Der Blue-Mountain-Train brachte uns am nächsten Tag wieder ins Herz Sydneys, wenn auch mit erheblichen Problemen wegen defekter Gleise. Ein Freight Train hatte auf einer Länge von 10km die Gleise demoliert. Schienen-Ersatz-Verkehr!!! Nördlingen, du bist nicht allein mit derartigen Problemen.

Wir fuhren erneut zum Hafen, der mit seiner Kombination aus Opernhaus, Harbour Bridge, Royal Botnaic Garden und klarem blauen Wasser einfach einmalig ist. Punkt für SYD. Die Innenstadt Sydneys beließen wir unerforscht, erschien sie uns doch eher „just like any other big city“. Punkt für MEL. Direkt am Hafen befindet sich auch das Museum of Contemporary Art, von dessen Café-Terrasse im 4. Stock man normalerweise einen sensationellen Blick auf den Hafen hat. Doch ein Ozean-Riese in Form eines gigantischen Kreuzschiffs lag prominent vor Anker und versperrte jedweden Ausblick. Wahnsinn.

Wir beschlossen, unsere Opal-Card, mit der man sämtliche Transportmittel Sydneys nutzen kann, weiter zu melken und fuhren mit der Fähre nach Manly. Allein schon die Ausblicke zurück auf Opernhaus und Hafen sind die Fährfahrt wert. Sie kostet ohnehin nur AED 1,40, eines der wenigen Dinge, die in Australien günstig sind.

Schon bei der Überfahrt fiel uns auf, dass einige Passagiere extrem leicht bekleidet waren. Außer einem Bikini, Badeschlappen und einem Handtuch hatten manche Mädels nichts dabei. Manly-Beach entpuppte sich als DER Strand für junge Strand- und Surf-Fans. Als gäbe es ein ungeschriebenes Gesetz ist der Aufenthalt dort wohl nur denen gestattet, die nahezu perfekte Körper vorweisen können und auch bereit sind, eben jenen zur Schau zu stellen. Der fast weiße Sand und das türkisblaue Wasser tun ihr Übriges, dass man unwillkürlich an Malibu oder Venice Beach denken muss. Punkt für SYD.

Wir machen uns auf, um die Nordspitze von Manly zu erwandern, vorbei an Shelly Beach bis zum North Head, wo uns ein unerwartet grandioser Blick zurück auf Sydneys Skyline geboten wird.

Das dort wunderbar gelegene Café hatte seine Pforten, warum auch immer, bereits um 4 p.m. geschlossen, so dass wir uns hungrig, durstig und missmutig auf den Rückweg machten, den wir noch dazu ziemlich unterschätzt hatten. Zum Glück nahm uns eine junge Künstlerin aus der auf Manly beheimateten Bronze-Gießerei mit zurück zur Wharf und erzählte uns während der fünf Minuten Fahrtzeit von ihrem familiären Hintergrund: Vater Österreicher, in Wien gelebt etc. Fast jeder Australier, mit dem wir ins Gespräch kommen – nein, „fast“ bitte streichen – hat direkte Connections zu Europa, viele zu Deutschland oder deutschsprachigen Ländern, von der klassischen Vergangenheit als Nachfahre von britischen Gefängnis-Insassen einmal völlig abgesehen. Aberdavon später.

Unser Ausflug nach Manly und die Ausblicke auf etliche weitere kleine Beaches, die sich in Abständen immer wieder entlang der Küste zeigen, lässt mein persönliches Pendel der Entscheidung, welche der beiden konkurrierenden Städte denn jetzt die schönere, attraktivere wäre schon ziemlich deutlich in Richtung Sydney ausschlagen. Vielleicht bin ich aber auch einfach ein klitzekleinwenig beeinflusst von den Passagierinnen auf der Manly-Fähre. Aber nur vielleicht.

Ein Volk von ehemaligen Gefängnisinsassen?

Zurück zur britischen Vergangenheit vieler Australier. Ich konnte es nicht lassen und musste auch unseren Alan dazu befragen. Volltreffer. Seine Herkunft könnte auch im Go Ahead Band 9 Unit3 (Englischbuch der Realschule, das sich mit Australien und Neuseeland beschäftigt) behandelt werden. Sein Urgroßvater kam auf einem Gefangenen-Schiff aus Irland nach Down Under, nachdem in den Gefängnissen des Königsreichs Platzmangel herrschte. Über die Schwere seines Vergehens konnte Alan keine Aussagen machen. Vielleicht wollte er auch nicht.

Seine Urgroßmutter war während und wegen der großen Hungersnot in den 1830ern aus Irland nach Australien ausgewandert um zu überleben. Klassisch. Wie im Geschichtsbuch. Ebenso typischerweise hatte sein Urgroßvater ein Pub eröffnet, wobei er tagsüber den Kneipenraum als Schule nutzte und Kinder unterrichtete. Kneipier und Schulleiter in Personalunion. Interessante Kombi, denkt sich der Sabbaticalist.

Von Melbourne nach Sydney via Rollercoaster

Wir, besser gesagt, ich hatte mir in den Kopf gesetzt mit dem Auto von Melbourne nach Sydney zu fahren, entlang der Küste, lächerliche 900 Kilometer. Das ganze Unterfangen stellte sich aber als komplizierter heraus als ich es mir vorgestellt hatte. Es begann schon mit dem Mieten eines entsprechenden Autos, was erstens kompliziert, zweitens teuer und drittens teuer war. Achja, teuer war’s auch. Nach langen und nervtötenden Recherchen, zum Teil vor Ort bei Sixt, Europcar und wie sie alles heißen, zum Teil online. Mein Ausspruch vor Ort: „I don’t want to buy this car, I just want to rent it.“ stieß bei der unfreundlichen Avis-Mitarbeiterin auf völlige Unverständnis. Die 400 Dollar Aufpreis dafür, dass wir das Auto nicht in Melbourne zurückgeben, sondern in Sydney seien doch schließlich „cheap“, meinte sie .

Anyway, finally we did it, und – fuck the cost – der Toyota Corolla Hybrid folgte der schlangenförmig sich hinwindenden A1 sehr brav, folgsam, weich und sogar sparsam. Immerhin. Doch das anfängliche Fahrvergnügen, das einer Fahrt in einem Rollercoaster ähnelte – dauerhaftes kurviges Auf und Ab – wich schon bald einer gewissen Langeweile, weil wir nicht wie geplant an der Küste entlang fuhren mit grandiosen Ausblicken aufs Meer, sondern mitten durch den Eukalyptuswald, der uns links wie rechts schwarze Stämme präsentierte, weil die Bushfires im Jahr 2020 dort gewütet hatten. Die widerstandsfähigen, ölhaltigen Bäume trieben aber tatsächlich wieder frisch aus und zeigte sich gut erholt.

Wir unterteilten die 900 Kilometer in drei Streckenabschnitte und suchten uns jeweils eine Unterkunft nahe am Meer. Für die jeweils 300 km benötigten wir jedoch nicht etwa die prognostizierten drei Stunden, sondern deren fünf und das obwohl von Verkehr auf der A1 keine Rede sein konnte. Bei einem Pinkelstopp, Dauer zweieinhalb Minuten, störte bei der Verrichtung der Notdurft kein einziges Auto, egal in welcher Richtung. Entsprechend entvölkert präsentierten sich auch die Orte, die wir ansteuerten: Lakes Entrance, Mallacoota oder Eden verbreiteten eher den Charme ruhiger Rentner-Paradiese: ruhig, wunderbare Ausblicke, leere Strände, nix los. Narooma erfreute uns durch seinen sensationell gelegenen Golfplatz – einer der schönsten Australiens, wie man uns versicherte – durch den bekannten Australian Rock, dessen Öffnung an den Umriss des Kontinents erinnert und durch die Seehund-Kolonie, der man sich bis auf wenige Meter problemlos nähern konnte.

Der letzte Zwischenhalt vor Sydney hieß Jervis Bay und der Ort unserer Wahl Huskisson. Das dortige Jervis Bay Motel hielt ein zwar sehr kleines, aber sauberes Zimmer mit neu installiertem Bad, schnellem WLAN und entgegen der Ankündigung in booking.com mit Meerblick für uns bereit. Wir gönnten uns im Jervis Bay Club sehr britisch anmutende Fish-n-Chips und genossen die entspannte Atmosphäre in der schönen Bucht.

Insbesondere die morgendliche Stimmung am Strand entließ uns gut gelaunt und entspannt zurück in den Rollercoaster, der uns kurvenreich bis nach Sydney brachte. Vor der Autoabgabe am Sydney Airport hatten wir uns in den Kopf gesetzt, bis zum Opernhaus zu fahren, was wir auch taten und im darunter liegenden Parkhaus parkten. Wie euphorisiert von dem weltweit einmaligen Icon des Gebäudes und der Harbour Bridge dahinter, schossen wir Bilder und produzierten ein paar Videos an unsere Lieben zu Hause. Eine Video-Message an meine Englischklassen durfte nicht fehlen. Hatte ich schließlich versprochen, wenn ich meine letztjährige 5a, 9a und 9b schon ein Jahr lang im Stich ließ.

wie versprochen: Video-Botschaft an meine „alte“ Englischklasse

Problemlos schafften wir den Drop-Off-Termin für unseren Toyota und standen danach wieder mit großem Gepäck und ohne Auto da. Aber: wir hatten die Adresse und Kontakt zu Alan und Melinda, Freunde unseres Freundes Peter aus Nördlingen. Die unerwartet lange 90-minütige Zugfahrt zu den beiden nach Woodford verlief stressfrei, gut organisiert und sicher. Als Alan uns am Bahnhof von Woodford in den Blue Mountains abholte, fühlten wir uns angekommen und gut aufgehoben. Der gemeinsame Abend bei frisch gekochtem Curry-Gemüse war lehrreich (in terms of English), unterhaltsam (in terms of communication) und lustig (in terms of sharing stories about Peter, so-called Peter-Stories).

Es ist die schönste Art zu reisen, in der Fremde Freunde zu treffen, auch wenn es Freunde von Freunden sind, die man bislang nicht einmal kannte. Die Gastfreundschaft von Alan und Melinda, die uns ihr perfekt ausgebautes und ausgestattetes Studio, in dem es wirklich an nichts fehlte, zur Verfügung stellten ist beispiellos. Aber davon später.

Melbourne – laut, teuer, spektakulär

Kontrastprogramm: nach dem Getöse und Gewimmel Bangkoks verließen wir Asien und machten uns auf zu einem von uns noch nie bereisten Kontinent: Australien, Down Under.

Erste Station: Melbourne. Genauer gesagt: Gisborne. Noch genauer: Gisborne Park. So heißt nämlich ganz unbescheiden das Anwesen unserer Freundin Niki, die es vor ein paar Jahren aus dem fernen Nördlingen nach Australien zog, aus dem kleinen, historischen Städtchen auf eine Farm im Hinterland Melbournes. Mit ihrem Lebensgefährten Michael und ihrer Tochter Charlotte, auch Lottie genannt, wohnt Niki in einem ursprünglichen Farmhouse mit modernen An- und Zwischenbauten. Platz ist kein Problem – um das Anwesen einigermaßen erleben zu können, benutzt man am besten ein Quad. Lärm ist auch kein Problem, es gibt nämlich keinen. Eigentlich gibt es überhaupt kein Problem. Wir genießen die zwei Tage auf Gisborne Park und fühlen uns dort fast wie zu Hause.

great to have friends around the world, even down under

Trotzdem zieht es uns weiter. Wir wollen schließlich auch noch ein wenig Melbourne erkunden, jene Stadt, der man nachsagt, mit Sydney zu konkurrieren, nur nicht so angeberisch zu sein. Was die Hochhaus-Architektur angeht, gibt sich Melbourne allerdings doch ein klitzekleinwenig protzig. Wie ein Spielplatz für Skyscraper-Architekten mutet es an, wenn man downtown Melbourne mit dem Kopf im Nacken unterwegs ist. Hier eine kleine Auswahl von Ingrids Fotos. Ein Link zu einer Galerie für Architektur- und/oder Fotografie-Freunde findet sich ganz unten an diesen Blog-Eintrag angehängt.

So spektakulär wie Melbourne sich präsentiert, so teuer ist es auch und so laut. Das Frühstück im angesagten Higher Ground, einer ehemaligen Kirche, besteht aus einem tatsächlich leckeren Cappuccino – Kaffee ist den Melbournern sehr wichtig – und einem Stück Brot mit Avocado.

Die Rechnung weist zu unserer Überraschung mehr als 40 Dollar aus, australische zwar, aber dennoch. Je öfter man eine „Bill“ nach Restaurant- oder Café-Besuch präsentiert bekommt, desto mehr stumpft man ab und so sehr wir am Anfang geschockt sind, so leger hält man schon bald die VISA-Karte ans Zahlgerät und lässt abbuchen.

das angesagte Higher Ground-Kaffeehaus

Eine Diskussion mit der Bedienung ist sowieso kaum möglich, weil der Lärm sich aus lauter Musik, vielstimmigem Geplapper, Geklirre und Geklimper sowie dem Echo von den Wänden zusammensetzt und undurchdringbar scheint. Wie man sich bei dem Getöse auch noch unterhalten kann, ist mir persönlich ein Rätsel, aber es scheint möglich. Nach dem Verlassen des Lokals ist der Lärm aber nicht vorbei, im Gegenteil: der Zug über uns, Autos und vor allem die legendäre Tram, Großstadtlärm vom Feinsten.

Melbourne hat das längste Tram-Netzwerk der Welt

Melbourne erinnert uns zum ersten Mal, dass ja Vorweihnachtszeit ist. Adventliche Deko und Musik allenthalben und eigentlich hätte Melbourne mehr verdient als nur die zwei Tage. Es hätte noch viel zu entdecken gegeben, aber… wir wollen/müssen weiter.

Hier ist noch der versprochene Link zu Ingrids Bilder-Galerie.

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