Irgendwie hat man das alles schon einmal gesehen: Zuckerhut, Corcovado mit Christus-Figur, Copacabana, Ipanema. Und trotzdem zieht uns der Anblick dieser Stadt in seinen Bann. Als der Taxifahrer, der uns vom nationalen Flughafen Aeroporto Santos Dumont abholt, um die Ecke biegt und uns in dem typisch näselnden brasilianisch Portugiesich „Copacabana“ über seine Schulter zuwirft, müssen wir uns beide unverhohlen angrinsen und eine unheimliche Freude überkommt uns.

Später, tief in der Nacht im 17. Stock des Portobay Hotels an der Avenida Atlantica, liege ich immer noch wach und schaue hinunter auf das Lichtband aus weißen Autoscheinwerfern und roten Rück- und Bremslichtern, das nicht abreißen will. Links davon der breite, helle Streifen. Es könnte auch Schnee sein, wenn ich es nicht besser wüsste. Das musste der sagenhafte  und vielbesungene Strand der Copacabana sein. Und wieder zauberte dieser Name ein Grinsen in mein Gesicht, eine Vorfreude auf die Tage, die vor uns lagen. Nach all den AirBnBs und den weniger komfortablen Unterkünften am Amazonas hatten wir uns für die abschließenden Tage in Rio ein schickes kleines Hotel gegönnt. Und das Portobay hielt, was es versprach: superfreundliches und professionelles Personal, Sauberkeit, sensationelle Lage, Rooftop-Bar mit kleinem Pool und ein Frühstück, das bis auf einen wirklich guten Cappucchino – aber den finde mal irgendwo in Brasilien – kaum einen Wunsch offen ließ. Das Obst ist schon allein das Frühstücken wert und Mangos in Brasilien schmecken nicht wie Mangos in Deutschland. No, sir.

Als es schließlich hell wird, entwickelt sich der Strand – jetzt ist auch klar, es ist kein Schnee – immer mehr zum Wimmelbild a la Ali Mitgutsch. An Schlafen ist jetzt erst recht nicht mehr zu denken: unter mir wird gejoggt, gewalkt, gebiket was das Zeug hält. Ein Drill Sergeant hat einen Fitness-Parcour mit Hütchen, Leitern und Gewichten aufgebaut. Seine Trillerpfeife gibt den Wechseltakt an, in dem seine Clients die Stationen wechseln. Hotelmitarbeiter schleifen Sonnenschirme und -liegen in die vorderen Ränge des Strands und bauen dort ihre temporären Festungen auf. Styropor-Kühlboxen werden mit frischem Eis gefüllt, Kokosnüsse darauf drapiert – Oh diese Kokosnüsse bzw. ihr Wasser. Es gibt kein erfrischenderes Getränk, von einer gut gekühlten Halbe Heckel in Waischenfeld einmal abgesehen.

Es ist noch nicht einmal 6 Uhr am Morgen und die ersten Wellen-Pioniere sind bereits am Start, testen die Wassertemperatur und die Wucht der Wellen. Überraschenderweise, zumindest für mich, sind keine Surfer am Start. Wahrscheinlich keine brauchbaren Wellen und der Strand zu steil ins Meer abfallend (reine Mutmaßung eines passionierten Surf-Beobachters, der selber noch nie auf einem solchen Brett stand). Allmählich hielt es mich auch nicht mehr auf meinem, wenn auch äußerst bequemen, Zuschauerplatz. Ich wollte selber den feinen Sand zwischen den Zehen spüren und erschrecken, wenn die anbrandenden Wellen den Weg weiter nach oben fanden als erwartet und nicht bei den Knöcheln halt machten. Also los. Was gibt es Schöneres als einen Strandspaziergang am Morgen. Hatte ich anfangs noch den Ohrwurm „An der Copa, Copacabana…“ im Kopf, wurde er jetzt überlagert von Louis Armstrong „What a wonderful world!“

Neben dem Glücksgefühl machte sich auch ein Gefühl der Dankbarkeit breit: dies alles erleben zu dürfen, zusammen mit Ingrid, und, dass auf dieser Reise bislang alles gut geklappt hatte (ein paar Ausnahmen bestärken dabei das Gefühl sogar noch), wir nicht schon im November in Nairobi abbrechen mussten, wir gesundheitlich weitgehend stabil waren und und und…

Nach dem Frühstück – hatte ich schon erwähnt, wie toll das Obst dort war? – machten wir uns auf, die touristischen Highlights von Rio zu erkunden, und davon gibt es ja durchaus ein paar. Natürlich durfte eine Bahnfahrt zu „Christo Redentor“, eine Gondelfahrt auf den Zuckerhut, eine Tramfahrt nach Santa Teresa, ein Besuch der berühmten Treppe Escadaria Selaron und der wirklich einzigartigen Kathedrale nicht fehlen.

Dank der riocard, die wir dem ausschließlich portugiesisch beherrschenden Automaten in der Metrostation abtrotzten, waren wir nicht auf Uber-Fahrten angewiesen, sondern nutzten Metro, Tram und vor allem das schier unüberblickbare Netz der Stadtbusse. Zwar stiegen wir nie in den von mir ausgeklügelten Bus mit der Nummer soundso, sondern dank Ingrids Spontaneität in einen anderen, der „bestimmt auch dorthin fährt“. Aber fast immer kamen wir wundersamerweise (und google maps half auch ein bisschen) da an, wo wir hinwollten.

Besonders beeindruckend fanden wir das Museum der Zukunft, Museo do Amanha, zum einen seine futuristische Architektur, zum anderen aber auch die Inhalte, die man versucht zu vermitteln. Rio ist immer dann überwältigend, kolossal, einzigartig, wunderschön, wenn man auf einem der vielen Aussichtspunkte steht und das grandiose Zusammenspiel aus Meer, Buchten, Felsen und Wald kaum fassen kann, wahrlich eine der schönsten Städte der Welt, was das Setting und die umgebende Kulisse angeht.