ein Lehrkörper hat frei, und nicht nur nachmittags

Kategorie: Neuseeland

Nu Zillan Art

Hundertwasser in NZ

Es muss wohl anno 1980 gewesen sein, in einer der Unterrichtsstunden des Kunst LKs des unvergessenen Wolfgang Neugebauer am Kepler-Gymnasium in Weiden in der Oberpfalz, als er mir zum ersten Mal begegnete, dieser verschrobene Österreicher mit dem ungewöhnlichen Künstlernamen: Friedensreich Hundertwasser. Mit seinen bunten Keramiken, seiner krummen Linienführung und seinen radikalen Denkansätzen brachte er mich schon damals zum Nachdenken und zum Lächeln, denn niemand, der vor einem Hundertwasser-Haus steht, behält einen grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht.

Das fiel mir sofort auf, als wir in Whangarei vom Parkplatz Richtung Jachthafen gingen. Viele Menschen, die uns entgegenkamen, waren auffällig gut gelaunt. Hundertwasser hat seinen positiven Zauber nicht verloren. Mir war nicht bewusst, dass der kauzige Österreicher von 1978 bis 2000 im ach so abgelegenen Neuseeland lebte und arbeitete, was bei ihm ja quasi unisono ist. In Whangarei wurde ihm posthum in einem eigenen Gebäude direkt am schnuckelig gelegenen Jachthafen ein Denkmal gesetzt, mit einem Haus, das dem in Wien ähnelt.

Kurios, wie sollte es anders sein, verlief auch sein Ableben. Weil er nicht  mehr fliegen wollte – 20 Jahre vor Greta!! – er aber dennoch nach Europa wollte, schwebte ihm vor, per Schiff zu reisen. Die Kosten einer Passage auf einem Kreuzfahrtschiff schienen ihm jedoch (zurecht) als viel zu hoch und er verwarf den Gedanken zunächst. Bis ein Freund ihn dennoch zu der Reise riet und Hundertwasser einlenkte, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass er die Kosten amortisieren könne indem er an Bord malte. Noch am Tag der Einschiffung legte er los, doch das Bild sollte unvollendet bleiben, weil Hundertwasser nach wenigen Tagen auf See an einem Herzinfarkt verstarb. Das unvollendete Bild hängt in der Dauerausstellung in Whangarei, während der Leichnam des Künstlers gemäß seinem Testament auf seinem Grundstück in der Nähe von Kawakawa 60 Zentimeter unter der Erde, nackt, mit einem über ihm gepflanzten Tulip-Tree bestattet wurde. Lieber Blog-Leser, hast du gerade ein Lächeln im Gesicht? Hundertwasser eben!

Kunst und Künstler in NZ

Dass ein Künstler wie Hundertwasser sich in NZ wohl fühlt ist nicht verwunderlich und deshalb auch kein Einzelfall. Kunst wird allenthalben geschätzt und gefördert. Ein paar Beispiele gefällig?

In den großen Städten wie Wellington und Auckland ist Kunst im öffentlichen Raum allgegenwärtig. Kein Platz ohne Skulptur oder Installation. Wände und Alltags-Objekte werden von Künstlern genutzt und gestaltet.

In der Art Gallery of Auckland besuchten wir eine geschickt kuratierte Ausstellung über Frida Kahlo und Diego Rivera. Weltkunst zu bewundern in der hintersten Ecke der Welt.

Dabei kann man letzteres auch ganz anders sehen. Im Whaling Museum in Butler’s Point fiel uns eine Weltkarte ins Auge, die Nu Zillan (so sprechen die Kiwis ihr Land aus) in der Mitte der Welt zeigt. Interessante Variante. Meist wird es ja ganz anders dargestellt.

Auf den Steinmetz-Wettbewerb in New Plymouth möchte ich hier noch einmal verweisen. Leider konnten wir die Resultate der drei Wochen Flexen, Meißeln und Schleifen nicht live sehen. Im Netz finden sich aber respektable Ergebnisse.

Der Vater von Franz von Hahn und Johnny Mauser

Unser persönlichstes Erlebnis mit einem lebenden Künstler ergab sich an einem wunderschönen Sonntag-Nachmittag, als wir von unseren Freunden Inge und Häns, bei denen wir ein paar Tage wohnen durften, auf die Terrasse von Helme und Kiki Heine geführt wurden. Hoch über dem Hafen von Russell saßen wir beschwingt von einem Gläschen Weißwein und plauderten mit dem Vater von Franz von Hahn und Johnny Mauser. Wie oft hatten wir die Geschichten der „Freunde“ unseren Töchtern vorgelesen? Das Beste was es an Kinderliteratur in Deutschland gibt. Dass die Heines noch viele weitere Projekte, Romane, Kalender und und und erschaffen haben und auch weiterhin täglich nach straffem Tagesablauf kreativ tätig sind, war interessant zu erfahren. Ein besonderer Nachmittag mit besonderen Menschen, ein weiterer Höhepunkt unserer Reise.

Cape Reinga – simply magic

Dieser Ort ist einfach magisch. Cape Reinga ist der nördlichste Punkt der Nordinsel Neuseelands. Dort treffen die Wassermassen der tasmanischen See vom Westen herkommend auf die Wellen des Pazifik aus dem Osten. Wir standen oben auf den Klippen neben dem Lighthouse und waren fasziniert von diesem Schauspiel der Meere. Wir konnten es sehen und wir konnten es hören, ja buchstäblich spüren, wie die Strömungen gegeneinander prallten. Dass dieser nördlichste Punkt Neuseelands ein magischer Ort ist, wussten bereits die Maoris. Sie hatten und haben für diese Abläufe ihre eigenen sagenhaften Erklärungen, die den Betrachter, wenn er sich einmal darauf eingelassen hat, durchaus in den Bann ziehen können.

Personalisierte Mächte ringen hier um die Oberhand, um die Macht und veranlassen in dieser Auseinandersetzung das von allen beobachtbare Naturschauspiel – eine Denkweise, die uns einseitig naturwissenschaftlich gebildete aufgekläre Menschheit, um es einmal positiv auszudrücken, so völlig fremd ist, dass man sich echt anstrengen muss um die maorische Sicht der Dinge ernst zu nehmen und überhaupt zuzulassen. Wenn man sich aber der Magie eines Orts wie Cape Reinga aussetzt, wird die schnöde geographische Erklärung der verschiedenen Temperaturen und Beschaffenheiten der Wassermassen dem Moment nicht wirklich gerecht.

Dazu ist er einfach zu magisch.

Warum heißt Auckland Auckland?

So, das musste mal gesagt werden.

Ja warum eigentlich? Wer war schuld? Wer hat’s erfunden? Nein, nicht die Schweizer. Die Engländer natürlich.

Ich finde es ja krass und ungerecht, dass ein welthistorisch völlig unbedeutender Brite namens George Eden – Ok, er war mal Vize-König von Indien, aber was heißt das schon? – sich mit seinem Titel Earl of Auckland derart verewigen konnte, dass die einwohnerstärkste Stadt Neuseelands seinen Namen trägt. Dabei hatte Auckland schon einen wunderbaren Namen, nämlich Tāmaki Makaurau, was soviel  bedeutet wie „Eine junge Schönheit mit 100 Liebhabern“. Was für ein Name für eine Stadt. Diese unsägliche Umbenennerei meist durch die Engländer finde ich persönlich widerwärtig und voll daneben. Und weil das mal gesagt werden musste, habe ich dies auch getan, an der Speakers Corner im Victoria Park (Name!!) von Auckland. So!

So richtig viele Zuhörer hatte ich nicht, zugegeben, eigentlich niemand mit Ausnahme meiner lieben Fotografin, aber in diesem Zusammenhang zählt sie auch nicht wirklich. Aber dennoch: wenn man so durch NZ fährt stößt man auf unzählige ähnliche Fälle. Beispiele gefällig? – OK. Wellington, Napier, Mount Egmont, Mount Cook, Picton, Marlborough, Nelson und Blenheim.Russell, Palmerston, Cromwell und sogar Franz Josef nach dem österreichischen Kaiser. Ok, genug echauffiert, vielleicht bin ich ja nur eifersüchtig und neidisch. Hätte ich vielleicht im Fall der Fälle auch die von mir entdeckte Bucht Kurts Bay genannt ungeachtet eines bereits existierenden malerischen Maori-Namens? – Who knows.

Mount Eden – einer von über 50 Vulkanen Aucklands.

Eine Stadt voller Vulkane

Die höchste Erhebung Aucklands ist eine Reisschale. So wird der Vulkan Mount Eden (Name!) jedenfalls von der Bevölkerung genannt und wenn man an seinem Rand steht, weiß man auch warum. Der Mount Eden ist einer von über 50 Vulkanen, auf denen Auckland oder besser gesagt, um die Auckland sich herumschmiegt. Dazu noch die einzigartige Lage an den vielzackigen Buchten. Kein Wunder, dass sich hier eine prächtige Stadt entwickeln konnte. Dennoch ist das Lebensgefühl in den vielen Stadtteilen eher kleinstädtisch und ruhig.

Zwar jammern die Bewohner über ihre Verkehrsstaus, aber einem New Yorker, Bangkokianer oder Tokioter würde dies wohl nur ein müdes Lächeln abringen. Im Zentrum ragt der relativ junge Skytower in den meist blauen Himmel (als wir dort waren, war er eher grau). Wir gönnten uns eine Aufzugsfahrt ins Café im 52. Stock und kaum saßen wir am Tisch neben der Glaswand nach außen, raste auch schon ein junger Mann im Sturzflug direkt an uns vorbei nach unten. Keine Angst, der Kerl hat überlebt, war er doch an drei Seilen gesichert. Es scheint eine neuseeländische Eigenart zu sein, dass man sich gern und überall in die Tiefe stürzt, wo immer es eine Gelegenheit dazu gibt, und koste es auch, wie in diesem Fall, mehr als 200 NZD. Ein Tourist aus London an unserem Frühstückstisch nächsten Morgen meinte dazu in trockenem britischen Humor, er wäre bereit mehr zu zahlen, dafür, dass er, wenn dort oben stünde, NICHT springen müsse.

Auckland – Kunststadt

Auch wenn uns Auckland nicht wirklich begeistert hat, wie zum Beispiel Sydney, oder überwältigt hat, wie zum Beispiel Bangkok, so hat es durchaus Charme, nicht zuletzt aufgrund seiner Affinität zur Kunst. Kunst findet wie in vielen neuseeländischen Städten im öffentlichen Raum statt, in großen Skulpturen, aber auch in der Gestaltung unscheinbarer Objekte.

Von J.Walsh bemalter Stromkasten mit Motiven Neuseelands.

Auch die offiziellen Museen mit ihren Sonderausstellungen können sich durchaus sehen lassen und halten Weltmaßstäben stand. Die Sonderausstellung zu Ehren der mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo und ihrem Lebensgefährten Diego Rivera in der Art Gallery fand auf jeden Fall Anklang beim Sabbaticalisten.

Happy New Year aus New Plymouth

Wir hatten ja so einiges geplant für unsere Reise durch Neuseeland, einiges auch nicht . Dass wir die Silvesternacht in New Plymouth sein würden, stand nicht auf unserer Itinerary, ja, wir wussten nicht einmal, dass es einen Ort dieses Namens überhaupt gibt.

Der Tipp kam, wie so einige, nachzulesen im Blogeintrag über Stinkarua, sorry Rotorua, von Dana, unserem Maori-Gastgeber ebendort.

Er erzählte uns von den Vorzügen von New Plymouth an der Westküste und so setzten wir es auf unsere Reiseroute, fanden kurzfristig eine Hotelunterkunft für die Silvesternacht und eine AirBnB – Unterkunft für weitere zwei Tage und… wurden nicht enttäuscht.

Wo ist New Plymouth? – Am Fuße des Taranaki, oder auch Mount Egmont oder auch Mini-Fuji.

Schon die Anfahrt war spektakulär, sieht man doch den Taranaki-Vulkan – die Engländer benannten ihn zwischenzeitlich um in Mount Egmont – schon aus über 100 Kilometer Entfernung und versteht, warum er landläufig auch Mini-Fuji genannt wird. Was unsere Reise betrifft, könnten wir ihn ja auch Mini-Kili nennen 😉

New Plymouth hat aber noch weit mehr zu bieten, als einen erloschenen Vulkan, zum Beispiel tolles Wetter. Kaum irgendwo in NZ ist es sonniger und wärmer als in der 70.000-Einwohner-Stadt. Die Wärme und Sonne lässt sich am besten genießen bei einem Coastal Walk. Dieser zieht sich vom Hafen durch die Innenstadt, vorbei an etlichen Stränden, vorbei an zwei spektakulär gelegenen Golf Courses 13 Kilometer bis zum nördlichsten Punkt Belle Beach.

Dort angekommen gibt es leider weder Kiosk, Café, Shuttle Bus, noch Boot, noch sonstwas. Uns blieb nur mithilfe eines überaus hilfsbereiten und freundlichen Maoris – hab ich eigentlich schon erwähnt, dass die Kiwis insgesamt ungemein freundlich und hilfsbereit sind? – ein Uber zu organisieren, das uns notorisch schlecht ausgerüstet und halb dehydriert zu unserer Unterkunft zurückbrachte.

Kunst im öffentlichen Raum

Außer Vulkan, Wetter und Küstenweg hat New Plymouth auch noch ein gewisses künstlerisches Flair zu bieten. An vielen Stellen trifft man auf Spuren kreativer Menschen, in Deutschland heißt dies „Kunst im öffentlichen Raum“. Die Skulpturen und Arrangements regen wiederum andere kreative Menschen zu weiteren künstlerischen Aktivitäten an. Meine Fotografin zum Beispiel überrascht mich ein ums andere Mal mit tollen Aufnahmen. Ich habe das Fotografieren mittlerweile nahezu eingestellt. Wozu erst fotografieren und am Abend wieder alles löschen, weil Ingrids Fotos ohnehin besser sind.

Der Stadtverwaltung ist der kreative Touch ihrer Stadt offensichtlich sehr wichtig. Am Rande des Coastal Walkways stießen wir auf eine Aktion für Steinmetze, denen Steinblöcke aus der Umgebung zur Verfügung gestellt wurden. Und so flexen, hämmern und meißeln internationale Steinkünstler drei Wochen lang um die Wette, dass es nur so staubt. Danach werden die Arbeiten ausgestellt und anschließend versteigert. Schade, dass wir die Ergebnisse nicht mehr live sehen können. Die Bildhauer nebeneinander live in Aktion zu sehen, war jedoch schon ein Erlebnis an sich.

Ergebnisse bei Facebook „tekupenga“

Kontinent-übergreifender Silvesterabend

An Silvester machten wir uns spontan noch auf die Suche nach einer Event-Location und fanden eine ziemlich gute Live-Band, die Fleetwood Mac täuschend echt coverte und in einem Irish Pub für Stimmung sorgte. Zwölf Stunden vor Deutschland bedeutet, dass unsere Mädels zu Hause gerade einmal grobe Vorbereitungen für den bevorstehenden Abend trafen, als wir anriefen. So früh haben wir tatsächlich noch nie das neue Jahr eingeläutet. Beim Countdown zum New Year standen wir dann vor dem Irish Pub mit einem neuseeländischen Pärchen, die eigentlich aus Australien und aus England kamen und prosteten uns zu – international und kontinent-übergreifend wie es nun einmal zu unserer Reise passte. Wer hatte das denn bitte arrangiert?

Happy New Year – Message

Bei all der Kreativität wollten wir uns natürlich nicht lumpen lassen und trugen ein wenig Strandgut zusammen für eine kleine New Year Installation. Hat Mega-Spaß gemacht und war nach zwei Tagen noch nahezu unversehrt erhalten.

Böse Zungen haben behauptet, dass der Sabbaticalist deutliche Spuren der Assimilation an neuseeländisches äußerliches Auftreten aufweist. Ich weiß nicht genau was gemeint ist, aber der Oberlippenbart, Moustache genannt, ist das Ergebnis eines kaputten Rasierers und kein fehlgeleiteter Anpassungsversuch an hippe Kiwis. Außerdem ist er längst wieder weg. Lustig wars trotzdem.

Mal schnell auf die Südinsel? Why not?

Eigentlich wollten wir ja gar nicht auf die Südinsel. Warum? Wir wollten unsere vier Wochen Neuseeland nicht rumhetzen und die Südinsel, von der man nachlesen kann, dass sie landschaftlich unvergleichlich schön sein soll, aber prinzipiell den Alpen sehr ähnlich, einfach mal aussparen, weil Alpen haben wir zu Hause schließlich auch.

Aber, manchmal kommt es eben anders als man ursprünglich plant, und das ist ja auch gut so. Nachdem uns in Gesprächen, wenn das Thema unserer Reiseroute angesprochen wurde, regelmäßig mit großen Augen offenbart wurde: „So you are not going to the South Island? You are missing the best part.“ weichte unsere Original-Planung immer mehr auf zu einem „Naja, warum eigentlich nicht mal kurz…?“

Den letzten Anstoß zu einer Umplanung gab kurioserweise eine Familie, die wir beim Skyline-Hike auf dem Ruapehu trafen. Sie stammten selber aus dem Ort Nelson, dem sonnenreichsten Örtchen Neuseelands („Sunny Nelson“) und rissen wie oben beschrieben alle 10 Augen auf, als wir von unseren Reiseplänen berichteten. Ihren ultimativen Tipp setzten wir dann auch in die Tat um. Wir nahmen die Fähre von Wellington nach Picton, zur Südinsel, buchten uns dort in eine Backpacker-Unterkunft ein und unternahmen eine wunderbare Wanderung entlang des sogenannten Queen Charlotte Tracks. Nichts von alledem möchten wir missen. Schon allein die Überfahrt durch die Cook Strait ist die Unternehmung wert.

Wikipedia sagt: „Die Cookstraße ist die Meerenge zwischen den beiden Hauptinseln von Neuseeland. Sie ist nach dem Seefahrer und Entdecker Kapitän James Cook benannt und zählt zu den stürmischsten Meeresstraßen der Welt. „

Letztere Information bewahrheitete sich allerdings erst bei der Rückfahrt, doch davon später. Die Hinfahrt nach Picton war so atemberaubend schön, dass nicht wenige Mitpassagiere minutenlang mit offenem Mund neben uns an Deck standen und die Szenerie an sich vorbeiziehen ließen. Wir wahrscheinlich auch.

Picton selbst ist ein kleiner Ort mit lediglich knapp 5000 Einwohnern, liegt mit seinem Hafen derart geschützt und eingerahmt im Queen Charlotte Sound, dass es wie eine Idylle anmutet. Dunkelblaues, klares Wasser, Palmen, hügeliges Land von unterschiedlichsten Grüntönen bedeckt, traumhaft schön. Picton lebt natürlich von dieser unglaublichen Lage, ist Ausgangspunkt von vielen Transporten per Auto, Bus, Bahn und Schiff, aber auch von den unterschiedlichsten touristischen Unternehmngen vor Ort.

Noch schnell einen „Flat White“ im Hafen von Picton geschlürft bevor das Boot ausläuft.

Wir ließen uns von einem kleinen Boot durch den Sound fahren und an einer Bucht namens Resolution Bay absetzen. Hier, in diesem Inlet, hatte der olle Cook, oh, sorry, der Seefahrer und Kartograf des British Empire James Cook im 18.Jahrhundert Neuseelands Südinsel für das Königreich in Beschlag genommen. Der Inlet wurde später nach Cooks Schiff Endeavour benannt.

Wer sich die Zeit nimmt und einmal in den Aufzeichnungen Cooks und seiner Reisegenossen liest, der kann unschwer erkennen, dass die damaligen Entdecker genauso fasziniert waren von der gewaltigen und berauschenden Natur wie wir. Wir wanderten durch den Wald mal auf Meereshöhe, mal auf bis zu 300 Meter ansteigendem Terrain entlang. Der 10,5 Kilometer lange Hike verging irgendwie viel zu schnell, zumal unser Boot, das uns an der Furneaux Lodge abholte ohnehin über eine Stunde Verspätung hatte. Dies ist jedoch ein Umstand, der keinen Neuseeländer großartig aus der Fassung bringt. Mit einem Achselzucken und einem „Should be fine“ wird dies einfach so hingenommen. Sich-Aufregen, Herummotzen oder Protestieren ist die Sache des Neuseeländers nicht.

Die Rückfahrt per Interislander-Fähre am nächsten Tag bewies wieder einmal, dass Wikipedia häufig richtig liegt. Aber die Crew war vorbereitet. Es gab vorbereitete Spucktüten an allen Ecken des Schiffs. Zwei Stunden nach Abfahrt, also ziemlich genau auf dem Höhepunkt der Schaukelei, wurden kostenlos Eiswürfel gereicht. Tatsächlich hilft das Lutschen an den eisigen Würfeln gegen Übelkeit auf See. Bei mir zumindest hat es geholfen. Eine Spucktüte weniger in Gebrauch.

Nachdem wir, zurück in Wellington, auch unseren Toyota Aqua, den wir illegalerweise im dortigen Rugby-Stadion geparkt hatten, weil Interislander keine – ich wiederhole – keine Parkplätze für Passagiere bereithält, unversehrt, nicht aufgebrochen, nicht beschädigt, ohne Parkkralle und sogar ohne Parkticket wiederfanden, schlossen wir den kurzen Ausflug auf die Südinsel mit einem rundum positiven Fazit ab und waren froh, uns umentschieden zu haben.

Einsam und allein, aber unaufgebrochen, ohne Parkkralle und ohne Ticket: unser Toyota Aqua im Parkhaus des Rugby-Stadions in Wellington.

Tölpel statt Weihnachtsgans

Es wäre nicht ganz zutreffend zu behaupten, dass wir große Fans einer Weihnachtsgans sind. Trotzdem steht die Gans symbolisch für das typisch deutsche Weihnachtsfestessen. Als wir am 24.12. eine Safari-Tour zu einer der größten Bas-Tölpel-Kolonien der Welt in der Nähe von Napier buchten, hatten wir über den Vogel-Vergleich nicht direkt nachgedacht. Im Nachhinein betrachtet, erschien er mir irgendwie witzig. Tölpel statt Gans.

In meinem bisherigen Leben hatte ich mich noch nie bewusst mit Tölpeln auseinandergesetzt, Begegnungen mit bestimmten Personen im Alltag eines Lehrers einmal ausgenommen. Auf einer Klippe ca. 20 Kilometer südlich von Napier kann man diese fantastischen Flieger und Taucher quasi hautnah besichtigen. Ca. 2500 Nester  reihen sich dort eng aneinander. Es herrscht ein ohrenbetäubendes Gekreische und einen nasenbetäubender Gestank nach, nach, naja nach Tölpel eben. Über unseren Köpfen schwebten ständig neue Vögel ein auf der Suche nach dem richtigen Nest, das sie punktgenau mithilfe von „Voice Control“, also Gekreische, finden. Nach Ankunft im Nest, das vom Partner, dem Tölpel übrigens ein Leben lang treu bleiben, nicht allein gelassen wird, startet erst einmal ein herzliches Willkommens-Ritual in Form von ausdauerndem Schnäbeln. Die kleinen Tölpel-Küken nehmen nach dem Schlüpfen im Nest innerhalb einiger Wochen bis zu acht Kilo zu, lernen fliegen und starten dann mit ihren Eltern zusammen zu ihrer ersten großen Flugreise übers Meer. Acht bis zehn Tage dauert es bis sie Australien erreichen. Was motiviert wohl einen Tölpel, kaum dass er richtig fliegen kann, zu einem Flug aufzubrechen aufs Meer hinaus ohne zu wissen, wohin die Reise führt? Was motiviert uns eigentlich? Haben wir auch etwas Tölpelhaftes in uns? Vergleiche hinken nun einmal, und dieser wohl besonders. Anyway.

Ich hatte ja immer gedacht, ich würde die englische Sprache einigermaßen gut beherrschen um die wichtigsten Dinge zu verstehen und mich mitteilen zu können. Bei der Fahrt zur Tölpel-Kolonie wurde ich dann aber doch reichlich desillusioniert. Wayne, ein waschechter Neuseeländer ungefähr meines Alters, steuerte den kleinen Allrad-Bus sehr souverän und flott über die Gravel-Roads der Klippen, während er gleichzeitig durch eine Covid-Maske in ein Headset-Mikro eine Fülle von Informationen über Landschaft, Fauna und Flora von sich gab. Die Inhalte seines nuscheligen Dauer-Monologs konnte ich jedoch nur grob erahnen. Von Verstehen konnte keine Rede sein. Listening Comprehension heißt diese Disziplin im Englischunterricht. Understanding Wayne war allerdings Hardcore LiCo.

Als wir dann vor den Tölpeln standen, Wayne zeitweise seine Maske abgenommen hatte und ohne Mikro direkt zu mir sprach, war ich mir zumindest sicher, dass er Englisch sprach oder so etwas Ähnliches.

8 a.m. = 8 p.m.

Weihnachtsabend zu Hause war bei uns am Vormittag inklusiver seltsamer Riten.

Die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Neuseeland ist maximal. Das Umrechnen, zum Beispiel wenn wir in die Heimat facetimen, ist dabei maximal einfach. 6:00 morgens in Neuseeland ist gleich 6:00 abends zu Hause. Das schaffe ich spielend, auch im Kopf.

Da ist das Umrechnen vom Neuseeland-Dollar in Euro schon um einiges schwieriger. Immerhin nutzen die Kiwis keine Kommazahlen wenn‘s ums Bezahlen geht. Ein Bier kostet eben entweder 8 Dollar oder 9, eher 9 oder 10, aber sicher nichts dazwischen. Und 10 NZD sind ziemlich genau 6 Euro. Überhaupt sind die Preise im Kiwi-Land ziemlich gepfeffert, vor allem bei Lebensmitteln, und dazu zählt Bier ja nun mal zweifellos. Das neuseeländische Bier ist im Übrigen gar nicht schlecht. Mein Favorit: Steinlager Classic, New Zealand’s Finest Lager aus der grünen 0,75 Liter Flasche.

Wie ist es denn nun, dieses Neuseeland…

…werde ich immer wieder gefragt.

Eine pauschale Antwort darauf kann ich nicht geben, weil dieses Land einfach zu viele Facetten hat. Natürlich ist da die unvergleichliche Landschaft mit ihren unfassbaren Farben, aber Rotorua ist anders als Auckland. Und Auckland anders als Wellington. Und Wellington anders als Napier. Über die letzten beiden möchte ich kurz berichten, weil sie es beide wert sind, jede auf ihre eigene Art.

Napier, diese schnuckelige, meist sonnige Kleinstadt an der Ostküste in einer gigantischen Bucht, die sich Hawkes Bay nennt, hat ihren eigenen Charme. Dieser begründet sich hauptsächlich in einer Katastrophe. Napier wurde im Jahr 1931 Opfer eines desaströsen Erdbebens, in dessen Folge die Stadt komplett neu aufgebaut wurde. Dies geschah so schnell und einheitlich im Stile des Art Deco, der zu der Zeit gerade en vogue war, dass es zu einem Stadtbild führte, das bis heute weltweit seines gleichen sucht. Die Bürger von Napier wurden sich dessen zwar erst in den 1980er Jahren so richtig bewusst, fingen dann aber an, dieses einmalige Erbe zu bewahren und zu feiern. Seitdem werden Gebäude entsprechend geschützt und einmal im Jahr werfen sich die Napier und Napierinnen so richtig in Schale im Stile der Roaring Twenties and Thirties, fahren ihre Oldtimer aus der Garage und feiern sich selbst. Außer dieser positiven Auswirkung des Erdbebens, hob sich der Boden des Stadtgebiets um fast zwei Meter, so dass aus ehemaligem Sumpfgebiet brauchbares Land zum Bau eines Flughafens und für Wohnungen wurde. Uns hat Napier richtig gut gefallen, nicht nur weil wir bei dem ehemaligen Holländer Rod und seiner philippinischen Frau einen echten AirBnB-Superhost gefunden hatten, sondern auch wegen des Klimas, wegen der ewig langen Strand-Promenade, wegen der ansonsten in Neuseeland ungewöhnlichen Fußgängerzone, wegen der tollen Kneipen im Yachthafen, wegen der vielen, guten Sushi-Läden, wegen eines sehr angenehmen Friseur-Besuchs, wegen, wegen, wegen. Napier, du warst und bist einen Besuch wert und wir waren froh, dass wir uns dort für drei Tage einquartiert hatten.

Art Deko und Jugendstil werden in Napier groß geschrieben

Der oben erwähnte Rod meinte vorausschauend, der 25. Dezember sei der langweiligste Tag im Jahr. Er hatte insofern recht, als an diesem Tag tatsächlich alles geschlossen hatte, was ansonsten offen ist: Museen, Restaurants, Kneipen, ja sogar McDonalds (nicht dass wir dahin wollten, aber nur zum Verständnis.) Wir erkoren den 1. Weihnachtsfeiertag deshalb zum Reisetag aus und legten die 300 Kilometer nach Wellington zurück. Nachdem die als Highway ausgezeichnete Straße diesen Namen wirklich nicht verdient, führt sie nämlich mitten durch etliche Ortschaften mit Ampeln, Roundabouts und Speed Bumps, war es ganz hilfreich, dass außer uns eh fast niemand unterwegs war. Ein paar Touristen halt mit Leihautos und/oder Campervans. Tankstellen hatten immerhin geöffnet, ein paar zumindest.

Als wir in Wellington ankamen, überraschte uns die durchaus imposante Skyline und die hügelige Silhouette der Landeshauptstadt, die ja lediglich 600.000 Einwohner zählt. Die wunderbare Lage Wellingtons hat es uns aber sofort angetan, der Hafen in einer riesengroßen Bucht gelegen, die von steil aufragenden Hügeln abgeschirmt wird, auf denen sich zwischen viel Grün meist relativ kleinteilig Wohnhäuser wie aufgesetzte Stickereien dahinsprenkeln. Der 360 Grad Ausblick vom Mount Victoria, den wir gleich am ersten Abend eher zufällig und unbeabsichtigt besteigen, ist grandios, ganz besonders bei Sonnenuntergang.

Wellington hat viel zu bieten, zum einen großstädtisches Flair, viel Kunst im öffentlichen Raum, das hervorragende Museum Te Papa, beeindruckende Regierungsgebäude, allen voran das als Beehive (= Bienenkorb) bezeichnete Parlamentsgebäude, eine wunderschöne Holzkirche im gotischen Stil, zum anderen aber auch mehrere Stadtstrände, viele Coffee-Stands mit durchaus guter Kaffee-Qualität, worauf die Wellingtonians sehr stolz sind und nicht zuletzt mehrere Golfplätze, die sehr unprätentiös daherkommen und dem Touristen und Golf-Fan ohne mitgeführte Ausrüstung das Golfspielen so leicht ermöglichen, dass es eine wahre Freude ist. Kein schnöseliges Gedöns, kein Dress-Code, kein überkandideltes Gehabe, einfach nur Spaß an dieser wunderbaren Sportart in einer unvergleichlichen Landschaft zu für deutsche Verhältnisse sagenhaften Preisen.

Wellington hätte unser Herz als liebenswerteste und vielleicht auch lebenswerteste kleine Hauptstadt der Welt erobert, wenn, ja wenn, dieser Wind nicht wäre. Der Wind, der Wind, das himmlische Kind! An mehr als 170 Tagen im Jahr, also an jedem zweiten (!!!) pfeift einem der Wind in Wellington so unangenehm, so chillig um die Ohren, dass man sich vorsehen, bemützen, einwickeln oder sich ein windstilles Eckchen suchen muss. Auch am Mount Victoria Lookout lässt sich der sensationelle Ausblick dann fast nur aus dem windstillen Auto heraus genießen. Mit einem Bierchen und ner Pizzaschnitte geht aber auch das.

Grün, grün, grün, sind alle meine Bilder – grün, grün, grün ist alles was ich hab

Wusstet ihr schon, dass grün Ingrids Lieblingsfarbe ist? Nein? Ok, dann wisst ihr es jetzt. Alle Bilder, die meine Fotografin auf dem Weg zum Tongariro-Nationalpark schoss, und das sind nicht wenige, laufen über von einer Farbe: grün. Grün in sämtlichen Abwandlungen, die man sich nur vorstellen kann.

Doch kaum biegt man nach Lake Taupo, dem größten See Neuseelands, rechts ab, ändern sich die Farben. Und das Wetter.

Ruapehu heißt der höchste Vulkan im Tongariro NP und der Ruapehu ist unberechenbar, vor allem was das Wetter angeht. Es gibt zwar einen Wetterbericht für das Gebiet, aber den könnte ich auch verfassen, denn entweder es regnet, oder es regnet nicht. Fifty-fifty. Big help to know.

Eigentlich hatten wir den populärsten Walk Neuseelands ins Auge gefasst, den sogenannten Alpine Crossing, 19 km, ca. 1k Höhenmeter und geschätzte sieben Stunden Wanderzeit, doch angesichts des Wetters und des Schnees am Gipfel des Ruapehu, angeblich der höchste aktive Vulkan der Welt, wurde uns allenthalben abgeraten. Auch Maria, unsere Gastgeberin in der Mountain Heights Lodge, wo wir uns einquartiert hatten, runzelte die Stirn und riet uns zu kleineren Walks, die einfach zu finden waren, super ausgeschildert und gut gewartet. So erwanderten wir uns die Tawhai Falls, Taranaki Falls und die Waitonga Falls.

Taranaki Falls

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die katastrophale Wettervorhersage sorgten dafür, dass wir fast bei allen Hikes mehr oder weniger allein unterwegs waren. Dabei war das Wetter kein Problem. Wir starteten meist bei Sonnenschein bevor es am frühen Nachmittag zuzog und ein wenig regnete. Am Abend riss der Himmel jeweils auf und bot unvergleichliche Farbenpracht mit dramatischen Szenarien. Angesichts fehlender Alternativen beendeten wir die Tage jeweils im Schnapps.

Nein, kein Tippfehler und keine Angst. Schnapps hieß die einzige Kneipe im National Park Village. Dort trafen sich ein paar Locals und verwegene Backpacker und wir zu allem was man frittieren kann – und die Neuseelanänder können praktisch alles frittieren – zu Bier und zu Jägermeister. Gratulation an dieser Stelle an die Marketingabteilung in Braunschweig. Ihr habt es geschafft und seid wirklich auch im letzten Winkel dieses Planeten präsent.

Am dritten Morgen im Tongariro wachten wir auf bei blauem Himmel und Sonnenschein. Der Gipfel des Ruapehu leuchtete strahlend weiß und strafte den Wetterbericht Lügen. Es war der 21. Dezember, der Tag an dem die Sommer-Gondel ihren Betrieb aufnahm, so hatte uns Maria erzählt. Kurz entschlossen machten wir uns doch noch auf zu unserer Volcano-Experience. Um 9:00 Uhr sollte der Gondelbetrieb aufgenommen werden. Wir waren um 9:45 Uhr vor Ort, da wurden gerade mal die Walkie Talkies getestet, der Ticket-Verkauf war noch geschlossen, doch die völlig tiefenentspannten Neuseeländer meinten, es wäre alles OK und man würde „shortly“ starten. Tatsächlich saßen wir, kaum war eine weitere halbe Stunde vorbei, in der ersten Gondel, die den Berg hochfuhr. Testlauf sozusagen. Ein wenig spooky zwar, aber alles ging gut.

Wir waren zwar die ersten Hiker in der Bergstation, aber ein Angestellter, beladen mit Werkzeug und Markierungspfosten, machte sich auf den Weg zum Skyline-Walk um Pfosten zu reparieren oder zu ersetzen. Ohne ihn hätten wir den Weg wohl nicht gefunden. Er war gewissermaßen unser Guide. Obwohl er schwer zu tragen hatte, schritt er leichtfüßig vor uns her. Wir holten ihn immer dann ein, wenn er wieder einen Pfosten eingeschraubt hatte und weiter ging’s. Er ermunterte uns auch bis an den Berg-Grat nach oben zu klettern, obwohl wir bereits mitten in einer Wolke standen und kaum noch etwas sehen konnten. Unter unseren Schuhen fühlte es sich an, als würde man einen Berg aus Hydro-Kultur-Kügelchen besteigen.

Zum Glück folgten wir der Aufforderung unseres unfreiwilligen Guides, denn kaum hatten wir den Grat erreicht, gab die Wolke die Sicht auf die andere Seite frei, den Blick auf einen Kratersee und in die Tiefebene bis zum Lake Taupo. Glück gehabt, alles richtig gemacht. Unsere persönlicher Alpine Crossing Light Version.

Die Wolkendecke reißt auf und gibt den Blick frei vom Ruapehu über ein Schneefeld (2300m Höhe) zu einem der Kraterseen und rechts im Hintergrund zum Lake Taupo.

Rotorua – unüberriechbar

Rotorua heißt Rotorua, weil er der zweite See war, den die Maori bei ihrer Erforschung des Inlandes vorfanden. Die Maori gingen bei der Benennung sehr pragmatisch und simpel vor. Roto = See. Rua = zwei. Fertig.

Heute ist Rotorua weniger für seinen See bekannt, der ist nämlich ziemlich langweilig, weil kreisrund und ohne Buchten, sondern für die vielfältigen vulkanischen Tätigkeiten, die hier zu Tage treten, auch für den Laien leicht sichtbar und vor allem unüberriechbar sind. Schon lange bevor man ein Ortsschild entdecken kann, haben die Schwefelausdünstungen, die aus vielen Ritzen, Löchern und Tümpeln an die Luft entweichen, die Nase erreicht. Der junge, äußerst hilfsbereite Automechaniker, der den defekten Reifen an unserem Mietwagen wechselte – wer von Euch irgendwann einmal einen Mietwagen in Neuseeland ausleihen möchte, macht einen Bogen um die Firma AutoUnion, mehr schreib ich nicht dazu – meinte, es würde ca. eine gute Woche dauern, dann würde man den Schwefelgestank nicht mehr wahrnehmen. Na toll, wir bleiben drei Tage, d.h. drei Tage lang faule Eier, beim Aufstehen faule Eier, beim Mittagessen faule Eier (nicht zum Essen natürlich, sondern nur als olfaktorische Beigabe) und beim Schlafengehen immer noch faule Eier.

Rotorua bemüht sich, aus dem offenduftlichen Nachteil einen Vorteil zu machen und „verkauft“ seine vulkanischen Aktivitäten ebenso teuer wie all die sonstigen Outdoor-Aktivitäten, die dort in Hülle und Fülle vorzufinden sind. Man kann sich am Fuß ein Seil befestigen lassen und von einer Brücke springen. Oder man lässt sich in einen überdimensionalen durchsichtigen Plastikball einsperren und kugelt dann zu Tal. Ersteres wird ja mittlerweile weltweit praktiziert und als Bungee-Jumping angepriesen. Zweiteres nennt man Zorbing und dies wurde hier in Rotorua erfunden. Really. Daneben gibt es noch Mountainbiking, Hiking, Balloon-Flying, Rafting usw usw. You name it, they have it.

Will man nach oben spritzende Geysire, blubbernde Matsche und stinkende Rauchfontänen von Nahem betrachten und beriechen, so bietet Rotorua auch hier perfekt konfektionierte Ware und dies zu horrenden Preisen. Das von weitem sichtbare Gelände Te Pua bläst dem finanziell gut gepolstertem Touristen alles Vorzeigbare derart professionell auf, dass eine kleine Familie für die volle Show inklusive Haka-Dance-Vorführung und Bähnchen-Fahrt schnell einmal 200 Dollar auf den Tisch legen kann. Nein, kann sie nicht. No Cash wanted. Credit Card only.

Zum Glück hat unser Gastgeber Dana ein paar Insider-Tipps auf Lager, die uns dann doch noch mit Rotorua versöhnen. Dazu müssen wir zwar ein paar Kilometer mit dem Auto fahren, aber die sind es allemal wert. Am Rotohiki (roto= See [ihr erinnert euch?], hiki=klein) machen wir eine kleine Wanderung durch einen moderaten Regenwald, an einem Sturzbach entlang, der, wenn er weniger Wasser führt, von Raftern befahren wird, der aber auch so sehr spektakulär neben dem Wanderer rauscht. Die Flora ist wunderbar, Vögel fabrizieren alle möglichen Geräusche, die Luft sensationell rein und ohne Schwefelgehalt. Wir genießen den Walk und fahren anschließend zu einer völlig unscheinbaren Location, die uns aber völlig verzaubert.

Die Soda Springs sehen aus wie ein kleiner Fischweiher und die Zufahrt ist so schlecht ausgeschildert, dass wir zwei Mal vorbeifahren, zumal kein einziges Auto auf dem Parkplatz steht. Die Springs sind aber sehr wohl geöffnet, wie uns eine sehr freundliche Maori, die den Platz betreut, versichert. Die 10 Dollar Eintritt scheinen uns angemessen, nach allem, was wir schon erlebt und gezahlt haben. Wir ziehen in einem einfachen Holzverschlag, nichts ist aufgepimpt und aufgeblasen, keine Video-Animation begrüßt uns,  unsere Badesachen an und tasten uns vorsichtig in das lediglich 70 cm tiefe Wasser vor, lassen uns fallen und freuen uns über die natürliche und simple Erfahrung. Der Boden des Teichs besteht aus Sand und aus diesem blubbert warmes Wasser nach oben. Je nachdem wohin man sich im Teich bewegt, wird es mal kälter, mal wärmer. Kommt man einer sprudelnden Quelle zu nahe, wird es sogar unangenehm heiß. Wir lassen uns treiben und spüren den verschieden warmen Wassermischungen nach. Es fängt leicht an zu regnen. Um so schöner, ruhiger und märchenhafter gerät unser Aufenthalt in Soda Springs.

Die dritte Location, die uns in Rotorua ausnehmend gut gefällt, ist ein Wald mit Redwood-Bäumen. Zwar waren auch hier die Tourismus-Manager am Werk und durchzogen den Wald mit den beeindruckend massiven Bäumen mit Plateaus und Hängebrücken, so dass man in 20m Höhe von Baum zu Bau laufen kann. Doch hier scheint der Eingriff gelungen, das Erlebnis beeindruckt und hat sogar echten Informationsgehalt (der sabbaticalistische Lehrer freut sich). Besonders beeindruckend ist der Tree Walk am Abend, wenn eine Licht-Installation den Wald magisch leuchten lässt. Wir fotografieren und filmen fleißig. Dabei haben wir bereits unseren Tree-Man Lewis im Hinterkopf, dem wir per WhatsApp unsere Ergebnisse zuschicken, was ihn, welch Wunder, extrem begeistert. Kontinent-übergeifende Begeisterung, ausgelöst von Bäumen!

Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal bekam unser Aufenthalt in Rotorua, wie schon erwähnt, durch unseren AirBnB-Gastgeber Dana. Am Ankunftstag noch etwas muffig gelaunt, taute er beim ersten gemeinsamen Bier tags darauf merklich auf, erzählte gern und ausführlich von den sich und seiner Familie. Am dritten Tag wurde aus unserer Unterhaltung ungeplanterweise ein Interview, in dem Dana bereitwillig  über seine Muttersprache Maori Auskunft gab, von seiner Herkunft erzählte und die Bedeutung seiner Tattoos erklärte.

Maoris kannten bis ins 19. Jahrundert keine Schrift. Alle Geschichten ihrer Vergangenheit wurden durch Erzählungen, durch Gesänge und Tänze sowie durch Schnitzereien kommuniziert. Kein Wunder, dass das Geschichten-Erzählen auch Dana in den Genen liegt.

Hier sind die Links zu den beiden Videos in meiner Google-Galerie.

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Unter der großen weißen Wolke

Die Ureinwohner Neuseelands, die Maoris, benannten das Land nach dem, was sie zuerst sahen, als sie dort ankamen: Aotearoa, das Land der großen weißen Wolke

Ein lang gehegter Traum ist wahr geworden. Wir wandeln auf den Spuren der Maoris, wir bewegen uns in dem Land, das so weit weg von unserem zu Hause ist wie kein anderes: Neuseeland oder New Zealand oder NZ (gesprochen: „en sed“, mit stimmhaftem s) oder Kiwi Country.

Würden wir dahoam in Balde im Garten ein Loch bohren, ein tiefes Loch, bis zum Erdmittelpunkt und dan nochmal dieselbe Strecke einfach weiterbohren, wir kämen ziemlich genau in NZ raus, hab ich zumindest schon ein paar Kiwis (Neuseeländer nennen sich selber auch so), erzählt und die haben sich ganz beeindruckt gezeigt.

Maoris sind die Ureinwohner Neuseelands, dabei sind sie selber „erst“ seit ca. 1500 Jahren hier. Sie sind nämlich selbst Einwanderer und von den Inseln um das heutige Tahiti mit Booten hierher gerudert. Sie waren aber einfach früher da als die Engländer und Holländer und all die anderen und können sich so Ureinwohner nennen.

Unser erster AirBnB-Gastgeber Dana, ist selber 50% Maori und für mich war es super spannend ihn ein wenig zu befragen über seine Tattoos, seine Muttersprache Maori, seine Herkunft, seine Denkweise und und und. Die beiden Videos werde ich im nächsten Blogeintrag verlinken, für alle die es interessiert. (Vorsicht: Cliffhanger 😉 )

Die erste Nacht verbrachten wir zum Ankommen direkt in der größten Stadt Neuseelands, Auckland. Mit 1,6 Millionen Menschen leben schon einmal mehr als 30 Prozent aller Kiwis in dieser Großstadt. Unser erster Eindruck von den Menschen ist, dass sie extrem offen und zugänglich sind. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird man gefragt, woher man denn kommt und nach der Antwort entwickelt sich meist ein freundliches Hin-und-Her, immerhin sind 75 Prozent aller Einwohner des Landes erste oder zweite Generation Europäer und demnach hat jeder eine Geschichte zu erzählen, sobald es um Europa geht.

Der Heiner Finck Aucklands

Nach der ersten Nacht im Stadtteil Ponsonby kamen wir beim Frühstück in einem Straßencafé mit einem netten Herrn ins Gespräch, der uns sehr schnell als der perfekte Kommunikator auffiel. Scheinbar saß er jeden Vormittag hier in seinem Stamm-Café und hielt Hof. Offensichtlich kannte ihn auch so gut wie jeder und jede, die so vorbeikam. Er erinnerte uns sogleich an unseren guten alten Freund Heiner Finck, der einen ähnlichen Lebensstil pflegt.

Graham, der Heiner Finck von Auckland

Ohne langes Zögern, aber auch ohne jegliche Aufforderung unsererseits überreichte er uns seine Business Card und meinte, wir könnten ihn jederzeit anrufen, solange wir in NZ sind und irgendein Problem hätten. Er würde uns jederzeit helfen und jedwedes Problem lösen. Ganz der Heiner 😉

Coromandel Peninsula – Landschaft pur

Als kleinen Tipp gab uns Graham noch mit, bei unserer Weiterfahrt über die Halbinsel Coromandel zu fahren. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und die Fahrt an der Küste der Peninsula entlang war tatsächlich traumhaft schön. Die Farbskala zwischen Blau und Grün schien hundert-, ja tausendfach abgewandelt. Nach jeder Kurve ein neuer, noch gewaltigerer Ausblick in praktisch alle Richtungen. Über die Ausbuchtung des Meeres hinweg konnte man am Horizont noch die Skyline von Auckland erkennen, ansonsten ein nahezu übergangsloses Ineinander von Himmel, Meer und Land. Einfach grandios.

Gerne wären wir tatsächlich noch länger auf Coromandel geblieben und mussten schweren Herzens von unserer ganz ursprünglichen Devise abweichen, zu bleiben, wo es uns gefällt. Die Buchung in Rotorua war getätigt und auch schon bezahlt. Da blieb dem Oberpfälzer „Rouchl“ in mir auch nichts mehr anderes übrig: „wenns scho zoohlt is, dann mäima aa dou hie“

Trotzdem bekam Coromandel einen ganz besonderen Platz auf unserer Liste und, wer weiß, vielleicht zieht es uns dort auch noch einmal hin, am Ende unserer NZ-Experience.

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