Weihnachtsabend zu Hause war bei uns am Vormittag inklusiver seltsamer Riten.

Die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Neuseeland ist maximal. Das Umrechnen, zum Beispiel wenn wir in die Heimat facetimen, ist dabei maximal einfach. 6:00 morgens in Neuseeland ist gleich 6:00 abends zu Hause. Das schaffe ich spielend, auch im Kopf.

Da ist das Umrechnen vom Neuseeland-Dollar in Euro schon um einiges schwieriger. Immerhin nutzen die Kiwis keine Kommazahlen wenn‘s ums Bezahlen geht. Ein Bier kostet eben entweder 8 Dollar oder 9, eher 9 oder 10, aber sicher nichts dazwischen. Und 10 NZD sind ziemlich genau 6 Euro. Überhaupt sind die Preise im Kiwi-Land ziemlich gepfeffert, vor allem bei Lebensmitteln, und dazu zählt Bier ja nun mal zweifellos. Das neuseeländische Bier ist im Übrigen gar nicht schlecht. Mein Favorit: Steinlager Classic, New Zealand’s Finest Lager aus der grünen 0,75 Liter Flasche.

Wie ist es denn nun, dieses Neuseeland…

…werde ich immer wieder gefragt.

Eine pauschale Antwort darauf kann ich nicht geben, weil dieses Land einfach zu viele Facetten hat. Natürlich ist da die unvergleichliche Landschaft mit ihren unfassbaren Farben, aber Rotorua ist anders als Auckland. Und Auckland anders als Wellington. Und Wellington anders als Napier. Über die letzten beiden möchte ich kurz berichten, weil sie es beide wert sind, jede auf ihre eigene Art.

Napier, diese schnuckelige, meist sonnige Kleinstadt an der Ostküste in einer gigantischen Bucht, die sich Hawkes Bay nennt, hat ihren eigenen Charme. Dieser begründet sich hauptsächlich in einer Katastrophe. Napier wurde im Jahr 1931 Opfer eines desaströsen Erdbebens, in dessen Folge die Stadt komplett neu aufgebaut wurde. Dies geschah so schnell und einheitlich im Stile des Art Deco, der zu der Zeit gerade en vogue war, dass es zu einem Stadtbild führte, das bis heute weltweit seines gleichen sucht. Die Bürger von Napier wurden sich dessen zwar erst in den 1980er Jahren so richtig bewusst, fingen dann aber an, dieses einmalige Erbe zu bewahren und zu feiern. Seitdem werden Gebäude entsprechend geschützt und einmal im Jahr werfen sich die Napier und Napierinnen so richtig in Schale im Stile der Roaring Twenties and Thirties, fahren ihre Oldtimer aus der Garage und feiern sich selbst. Außer dieser positiven Auswirkung des Erdbebens, hob sich der Boden des Stadtgebiets um fast zwei Meter, so dass aus ehemaligem Sumpfgebiet brauchbares Land zum Bau eines Flughafens und für Wohnungen wurde. Uns hat Napier richtig gut gefallen, nicht nur weil wir bei dem ehemaligen Holländer Rod und seiner philippinischen Frau einen echten AirBnB-Superhost gefunden hatten, sondern auch wegen des Klimas, wegen der ewig langen Strand-Promenade, wegen der ansonsten in Neuseeland ungewöhnlichen Fußgängerzone, wegen der tollen Kneipen im Yachthafen, wegen der vielen, guten Sushi-Läden, wegen eines sehr angenehmen Friseur-Besuchs, wegen, wegen, wegen. Napier, du warst und bist einen Besuch wert und wir waren froh, dass wir uns dort für drei Tage einquartiert hatten.

Art Deko und Jugendstil werden in Napier groß geschrieben

Der oben erwähnte Rod meinte vorausschauend, der 25. Dezember sei der langweiligste Tag im Jahr. Er hatte insofern recht, als an diesem Tag tatsächlich alles geschlossen hatte, was ansonsten offen ist: Museen, Restaurants, Kneipen, ja sogar McDonalds (nicht dass wir dahin wollten, aber nur zum Verständnis.) Wir erkoren den 1. Weihnachtsfeiertag deshalb zum Reisetag aus und legten die 300 Kilometer nach Wellington zurück. Nachdem die als Highway ausgezeichnete Straße diesen Namen wirklich nicht verdient, führt sie nämlich mitten durch etliche Ortschaften mit Ampeln, Roundabouts und Speed Bumps, war es ganz hilfreich, dass außer uns eh fast niemand unterwegs war. Ein paar Touristen halt mit Leihautos und/oder Campervans. Tankstellen hatten immerhin geöffnet, ein paar zumindest.

Als wir in Wellington ankamen, überraschte uns die durchaus imposante Skyline und die hügelige Silhouette der Landeshauptstadt, die ja lediglich 600.000 Einwohner zählt. Die wunderbare Lage Wellingtons hat es uns aber sofort angetan, der Hafen in einer riesengroßen Bucht gelegen, die von steil aufragenden Hügeln abgeschirmt wird, auf denen sich zwischen viel Grün meist relativ kleinteilig Wohnhäuser wie aufgesetzte Stickereien dahinsprenkeln. Der 360 Grad Ausblick vom Mount Victoria, den wir gleich am ersten Abend eher zufällig und unbeabsichtigt besteigen, ist grandios, ganz besonders bei Sonnenuntergang.

Wellington hat viel zu bieten, zum einen großstädtisches Flair, viel Kunst im öffentlichen Raum, das hervorragende Museum Te Papa, beeindruckende Regierungsgebäude, allen voran das als Beehive (= Bienenkorb) bezeichnete Parlamentsgebäude, eine wunderschöne Holzkirche im gotischen Stil, zum anderen aber auch mehrere Stadtstrände, viele Coffee-Stands mit durchaus guter Kaffee-Qualität, worauf die Wellingtonians sehr stolz sind und nicht zuletzt mehrere Golfplätze, die sehr unprätentiös daherkommen und dem Touristen und Golf-Fan ohne mitgeführte Ausrüstung das Golfspielen so leicht ermöglichen, dass es eine wahre Freude ist. Kein schnöseliges Gedöns, kein Dress-Code, kein überkandideltes Gehabe, einfach nur Spaß an dieser wunderbaren Sportart in einer unvergleichlichen Landschaft zu für deutsche Verhältnisse sagenhaften Preisen.

Wellington hätte unser Herz als liebenswerteste und vielleicht auch lebenswerteste kleine Hauptstadt der Welt erobert, wenn, ja wenn, dieser Wind nicht wäre. Der Wind, der Wind, das himmlische Kind! An mehr als 170 Tagen im Jahr, also an jedem zweiten (!!!) pfeift einem der Wind in Wellington so unangenehm, so chillig um die Ohren, dass man sich vorsehen, bemützen, einwickeln oder sich ein windstilles Eckchen suchen muss. Auch am Mount Victoria Lookout lässt sich der sensationelle Ausblick dann fast nur aus dem windstillen Auto heraus genießen. Mit einem Bierchen und ner Pizzaschnitte geht aber auch das.