ein Lehrkörper hat frei, und nicht nur nachmittags

Monat: Dezember 2022 (Seite 1 von 2)

Mal schnell auf die Südinsel? Why not?

Eigentlich wollten wir ja gar nicht auf die Südinsel. Warum? Wir wollten unsere vier Wochen Neuseeland nicht rumhetzen und die Südinsel, von der man nachlesen kann, dass sie landschaftlich unvergleichlich schön sein soll, aber prinzipiell den Alpen sehr ähnlich, einfach mal aussparen, weil Alpen haben wir zu Hause schließlich auch.

Aber, manchmal kommt es eben anders als man ursprünglich plant, und das ist ja auch gut so. Nachdem uns in Gesprächen, wenn das Thema unserer Reiseroute angesprochen wurde, regelmäßig mit großen Augen offenbart wurde: „So you are not going to the South Island? You are missing the best part.“ weichte unsere Original-Planung immer mehr auf zu einem „Naja, warum eigentlich nicht mal kurz…?“

Den letzten Anstoß zu einer Umplanung gab kurioserweise eine Familie, die wir beim Skyline-Hike auf dem Ruapehu trafen. Sie stammten selber aus dem Ort Nelson, dem sonnenreichsten Örtchen Neuseelands („Sunny Nelson“) und rissen wie oben beschrieben alle 10 Augen auf, als wir von unseren Reiseplänen berichteten. Ihren ultimativen Tipp setzten wir dann auch in die Tat um. Wir nahmen die Fähre von Wellington nach Picton, zur Südinsel, buchten uns dort in eine Backpacker-Unterkunft ein und unternahmen eine wunderbare Wanderung entlang des sogenannten Queen Charlotte Tracks. Nichts von alledem möchten wir missen. Schon allein die Überfahrt durch die Cook Strait ist die Unternehmung wert.

Wikipedia sagt: „Die Cookstraße ist die Meerenge zwischen den beiden Hauptinseln von Neuseeland. Sie ist nach dem Seefahrer und Entdecker Kapitän James Cook benannt und zählt zu den stürmischsten Meeresstraßen der Welt. „

Letztere Information bewahrheitete sich allerdings erst bei der Rückfahrt, doch davon später. Die Hinfahrt nach Picton war so atemberaubend schön, dass nicht wenige Mitpassagiere minutenlang mit offenem Mund neben uns an Deck standen und die Szenerie an sich vorbeiziehen ließen. Wir wahrscheinlich auch.

Picton selbst ist ein kleiner Ort mit lediglich knapp 5000 Einwohnern, liegt mit seinem Hafen derart geschützt und eingerahmt im Queen Charlotte Sound, dass es wie eine Idylle anmutet. Dunkelblaues, klares Wasser, Palmen, hügeliges Land von unterschiedlichsten Grüntönen bedeckt, traumhaft schön. Picton lebt natürlich von dieser unglaublichen Lage, ist Ausgangspunkt von vielen Transporten per Auto, Bus, Bahn und Schiff, aber auch von den unterschiedlichsten touristischen Unternehmngen vor Ort.

Noch schnell einen „Flat White“ im Hafen von Picton geschlürft bevor das Boot ausläuft.

Wir ließen uns von einem kleinen Boot durch den Sound fahren und an einer Bucht namens Resolution Bay absetzen. Hier, in diesem Inlet, hatte der olle Cook, oh, sorry, der Seefahrer und Kartograf des British Empire James Cook im 18.Jahrhundert Neuseelands Südinsel für das Königreich in Beschlag genommen. Der Inlet wurde später nach Cooks Schiff Endeavour benannt.

Wer sich die Zeit nimmt und einmal in den Aufzeichnungen Cooks und seiner Reisegenossen liest, der kann unschwer erkennen, dass die damaligen Entdecker genauso fasziniert waren von der gewaltigen und berauschenden Natur wie wir. Wir wanderten durch den Wald mal auf Meereshöhe, mal auf bis zu 300 Meter ansteigendem Terrain entlang. Der 10,5 Kilometer lange Hike verging irgendwie viel zu schnell, zumal unser Boot, das uns an der Furneaux Lodge abholte ohnehin über eine Stunde Verspätung hatte. Dies ist jedoch ein Umstand, der keinen Neuseeländer großartig aus der Fassung bringt. Mit einem Achselzucken und einem „Should be fine“ wird dies einfach so hingenommen. Sich-Aufregen, Herummotzen oder Protestieren ist die Sache des Neuseeländers nicht.

Die Rückfahrt per Interislander-Fähre am nächsten Tag bewies wieder einmal, dass Wikipedia häufig richtig liegt. Aber die Crew war vorbereitet. Es gab vorbereitete Spucktüten an allen Ecken des Schiffs. Zwei Stunden nach Abfahrt, also ziemlich genau auf dem Höhepunkt der Schaukelei, wurden kostenlos Eiswürfel gereicht. Tatsächlich hilft das Lutschen an den eisigen Würfeln gegen Übelkeit auf See. Bei mir zumindest hat es geholfen. Eine Spucktüte weniger in Gebrauch.

Nachdem wir, zurück in Wellington, auch unseren Toyota Aqua, den wir illegalerweise im dortigen Rugby-Stadion geparkt hatten, weil Interislander keine – ich wiederhole – keine Parkplätze für Passagiere bereithält, unversehrt, nicht aufgebrochen, nicht beschädigt, ohne Parkkralle und sogar ohne Parkticket wiederfanden, schlossen wir den kurzen Ausflug auf die Südinsel mit einem rundum positiven Fazit ab und waren froh, uns umentschieden zu haben.

Einsam und allein, aber unaufgebrochen, ohne Parkkralle und ohne Ticket: unser Toyota Aqua im Parkhaus des Rugby-Stadions in Wellington.

Tölpel statt Weihnachtsgans

Es wäre nicht ganz zutreffend zu behaupten, dass wir große Fans einer Weihnachtsgans sind. Trotzdem steht die Gans symbolisch für das typisch deutsche Weihnachtsfestessen. Als wir am 24.12. eine Safari-Tour zu einer der größten Bas-Tölpel-Kolonien der Welt in der Nähe von Napier buchten, hatten wir über den Vogel-Vergleich nicht direkt nachgedacht. Im Nachhinein betrachtet, erschien er mir irgendwie witzig. Tölpel statt Gans.

In meinem bisherigen Leben hatte ich mich noch nie bewusst mit Tölpeln auseinandergesetzt, Begegnungen mit bestimmten Personen im Alltag eines Lehrers einmal ausgenommen. Auf einer Klippe ca. 20 Kilometer südlich von Napier kann man diese fantastischen Flieger und Taucher quasi hautnah besichtigen. Ca. 2500 Nester  reihen sich dort eng aneinander. Es herrscht ein ohrenbetäubendes Gekreische und einen nasenbetäubender Gestank nach, nach, naja nach Tölpel eben. Über unseren Köpfen schwebten ständig neue Vögel ein auf der Suche nach dem richtigen Nest, das sie punktgenau mithilfe von „Voice Control“, also Gekreische, finden. Nach Ankunft im Nest, das vom Partner, dem Tölpel übrigens ein Leben lang treu bleiben, nicht allein gelassen wird, startet erst einmal ein herzliches Willkommens-Ritual in Form von ausdauerndem Schnäbeln. Die kleinen Tölpel-Küken nehmen nach dem Schlüpfen im Nest innerhalb einiger Wochen bis zu acht Kilo zu, lernen fliegen und starten dann mit ihren Eltern zusammen zu ihrer ersten großen Flugreise übers Meer. Acht bis zehn Tage dauert es bis sie Australien erreichen. Was motiviert wohl einen Tölpel, kaum dass er richtig fliegen kann, zu einem Flug aufzubrechen aufs Meer hinaus ohne zu wissen, wohin die Reise führt? Was motiviert uns eigentlich? Haben wir auch etwas Tölpelhaftes in uns? Vergleiche hinken nun einmal, und dieser wohl besonders. Anyway.

Ich hatte ja immer gedacht, ich würde die englische Sprache einigermaßen gut beherrschen um die wichtigsten Dinge zu verstehen und mich mitteilen zu können. Bei der Fahrt zur Tölpel-Kolonie wurde ich dann aber doch reichlich desillusioniert. Wayne, ein waschechter Neuseeländer ungefähr meines Alters, steuerte den kleinen Allrad-Bus sehr souverän und flott über die Gravel-Roads der Klippen, während er gleichzeitig durch eine Covid-Maske in ein Headset-Mikro eine Fülle von Informationen über Landschaft, Fauna und Flora von sich gab. Die Inhalte seines nuscheligen Dauer-Monologs konnte ich jedoch nur grob erahnen. Von Verstehen konnte keine Rede sein. Listening Comprehension heißt diese Disziplin im Englischunterricht. Understanding Wayne war allerdings Hardcore LiCo.

Als wir dann vor den Tölpeln standen, Wayne zeitweise seine Maske abgenommen hatte und ohne Mikro direkt zu mir sprach, war ich mir zumindest sicher, dass er Englisch sprach oder so etwas Ähnliches.

8 a.m. = 8 p.m.

Weihnachtsabend zu Hause war bei uns am Vormittag inklusiver seltsamer Riten.

Die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Neuseeland ist maximal. Das Umrechnen, zum Beispiel wenn wir in die Heimat facetimen, ist dabei maximal einfach. 6:00 morgens in Neuseeland ist gleich 6:00 abends zu Hause. Das schaffe ich spielend, auch im Kopf.

Da ist das Umrechnen vom Neuseeland-Dollar in Euro schon um einiges schwieriger. Immerhin nutzen die Kiwis keine Kommazahlen wenn‘s ums Bezahlen geht. Ein Bier kostet eben entweder 8 Dollar oder 9, eher 9 oder 10, aber sicher nichts dazwischen. Und 10 NZD sind ziemlich genau 6 Euro. Überhaupt sind die Preise im Kiwi-Land ziemlich gepfeffert, vor allem bei Lebensmitteln, und dazu zählt Bier ja nun mal zweifellos. Das neuseeländische Bier ist im Übrigen gar nicht schlecht. Mein Favorit: Steinlager Classic, New Zealand’s Finest Lager aus der grünen 0,75 Liter Flasche.

Wie ist es denn nun, dieses Neuseeland…

…werde ich immer wieder gefragt.

Eine pauschale Antwort darauf kann ich nicht geben, weil dieses Land einfach zu viele Facetten hat. Natürlich ist da die unvergleichliche Landschaft mit ihren unfassbaren Farben, aber Rotorua ist anders als Auckland. Und Auckland anders als Wellington. Und Wellington anders als Napier. Über die letzten beiden möchte ich kurz berichten, weil sie es beide wert sind, jede auf ihre eigene Art.

Napier, diese schnuckelige, meist sonnige Kleinstadt an der Ostküste in einer gigantischen Bucht, die sich Hawkes Bay nennt, hat ihren eigenen Charme. Dieser begründet sich hauptsächlich in einer Katastrophe. Napier wurde im Jahr 1931 Opfer eines desaströsen Erdbebens, in dessen Folge die Stadt komplett neu aufgebaut wurde. Dies geschah so schnell und einheitlich im Stile des Art Deco, der zu der Zeit gerade en vogue war, dass es zu einem Stadtbild führte, das bis heute weltweit seines gleichen sucht. Die Bürger von Napier wurden sich dessen zwar erst in den 1980er Jahren so richtig bewusst, fingen dann aber an, dieses einmalige Erbe zu bewahren und zu feiern. Seitdem werden Gebäude entsprechend geschützt und einmal im Jahr werfen sich die Napier und Napierinnen so richtig in Schale im Stile der Roaring Twenties and Thirties, fahren ihre Oldtimer aus der Garage und feiern sich selbst. Außer dieser positiven Auswirkung des Erdbebens, hob sich der Boden des Stadtgebiets um fast zwei Meter, so dass aus ehemaligem Sumpfgebiet brauchbares Land zum Bau eines Flughafens und für Wohnungen wurde. Uns hat Napier richtig gut gefallen, nicht nur weil wir bei dem ehemaligen Holländer Rod und seiner philippinischen Frau einen echten AirBnB-Superhost gefunden hatten, sondern auch wegen des Klimas, wegen der ewig langen Strand-Promenade, wegen der ansonsten in Neuseeland ungewöhnlichen Fußgängerzone, wegen der tollen Kneipen im Yachthafen, wegen der vielen, guten Sushi-Läden, wegen eines sehr angenehmen Friseur-Besuchs, wegen, wegen, wegen. Napier, du warst und bist einen Besuch wert und wir waren froh, dass wir uns dort für drei Tage einquartiert hatten.

Art Deko und Jugendstil werden in Napier groß geschrieben

Der oben erwähnte Rod meinte vorausschauend, der 25. Dezember sei der langweiligste Tag im Jahr. Er hatte insofern recht, als an diesem Tag tatsächlich alles geschlossen hatte, was ansonsten offen ist: Museen, Restaurants, Kneipen, ja sogar McDonalds (nicht dass wir dahin wollten, aber nur zum Verständnis.) Wir erkoren den 1. Weihnachtsfeiertag deshalb zum Reisetag aus und legten die 300 Kilometer nach Wellington zurück. Nachdem die als Highway ausgezeichnete Straße diesen Namen wirklich nicht verdient, führt sie nämlich mitten durch etliche Ortschaften mit Ampeln, Roundabouts und Speed Bumps, war es ganz hilfreich, dass außer uns eh fast niemand unterwegs war. Ein paar Touristen halt mit Leihautos und/oder Campervans. Tankstellen hatten immerhin geöffnet, ein paar zumindest.

Als wir in Wellington ankamen, überraschte uns die durchaus imposante Skyline und die hügelige Silhouette der Landeshauptstadt, die ja lediglich 600.000 Einwohner zählt. Die wunderbare Lage Wellingtons hat es uns aber sofort angetan, der Hafen in einer riesengroßen Bucht gelegen, die von steil aufragenden Hügeln abgeschirmt wird, auf denen sich zwischen viel Grün meist relativ kleinteilig Wohnhäuser wie aufgesetzte Stickereien dahinsprenkeln. Der 360 Grad Ausblick vom Mount Victoria, den wir gleich am ersten Abend eher zufällig und unbeabsichtigt besteigen, ist grandios, ganz besonders bei Sonnenuntergang.

Wellington hat viel zu bieten, zum einen großstädtisches Flair, viel Kunst im öffentlichen Raum, das hervorragende Museum Te Papa, beeindruckende Regierungsgebäude, allen voran das als Beehive (= Bienenkorb) bezeichnete Parlamentsgebäude, eine wunderschöne Holzkirche im gotischen Stil, zum anderen aber auch mehrere Stadtstrände, viele Coffee-Stands mit durchaus guter Kaffee-Qualität, worauf die Wellingtonians sehr stolz sind und nicht zuletzt mehrere Golfplätze, die sehr unprätentiös daherkommen und dem Touristen und Golf-Fan ohne mitgeführte Ausrüstung das Golfspielen so leicht ermöglichen, dass es eine wahre Freude ist. Kein schnöseliges Gedöns, kein Dress-Code, kein überkandideltes Gehabe, einfach nur Spaß an dieser wunderbaren Sportart in einer unvergleichlichen Landschaft zu für deutsche Verhältnisse sagenhaften Preisen.

Wellington hätte unser Herz als liebenswerteste und vielleicht auch lebenswerteste kleine Hauptstadt der Welt erobert, wenn, ja wenn, dieser Wind nicht wäre. Der Wind, der Wind, das himmlische Kind! An mehr als 170 Tagen im Jahr, also an jedem zweiten (!!!) pfeift einem der Wind in Wellington so unangenehm, so chillig um die Ohren, dass man sich vorsehen, bemützen, einwickeln oder sich ein windstilles Eckchen suchen muss. Auch am Mount Victoria Lookout lässt sich der sensationelle Ausblick dann fast nur aus dem windstillen Auto heraus genießen. Mit einem Bierchen und ner Pizzaschnitte geht aber auch das.

Grün, grün, grün, sind alle meine Bilder – grün, grün, grün ist alles was ich hab

Wusstet ihr schon, dass grün Ingrids Lieblingsfarbe ist? Nein? Ok, dann wisst ihr es jetzt. Alle Bilder, die meine Fotografin auf dem Weg zum Tongariro-Nationalpark schoss, und das sind nicht wenige, laufen über von einer Farbe: grün. Grün in sämtlichen Abwandlungen, die man sich nur vorstellen kann.

Doch kaum biegt man nach Lake Taupo, dem größten See Neuseelands, rechts ab, ändern sich die Farben. Und das Wetter.

Ruapehu heißt der höchste Vulkan im Tongariro NP und der Ruapehu ist unberechenbar, vor allem was das Wetter angeht. Es gibt zwar einen Wetterbericht für das Gebiet, aber den könnte ich auch verfassen, denn entweder es regnet, oder es regnet nicht. Fifty-fifty. Big help to know.

Eigentlich hatten wir den populärsten Walk Neuseelands ins Auge gefasst, den sogenannten Alpine Crossing, 19 km, ca. 1k Höhenmeter und geschätzte sieben Stunden Wanderzeit, doch angesichts des Wetters und des Schnees am Gipfel des Ruapehu, angeblich der höchste aktive Vulkan der Welt, wurde uns allenthalben abgeraten. Auch Maria, unsere Gastgeberin in der Mountain Heights Lodge, wo wir uns einquartiert hatten, runzelte die Stirn und riet uns zu kleineren Walks, die einfach zu finden waren, super ausgeschildert und gut gewartet. So erwanderten wir uns die Tawhai Falls, Taranaki Falls und die Waitonga Falls.

Taranaki Falls

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die katastrophale Wettervorhersage sorgten dafür, dass wir fast bei allen Hikes mehr oder weniger allein unterwegs waren. Dabei war das Wetter kein Problem. Wir starteten meist bei Sonnenschein bevor es am frühen Nachmittag zuzog und ein wenig regnete. Am Abend riss der Himmel jeweils auf und bot unvergleichliche Farbenpracht mit dramatischen Szenarien. Angesichts fehlender Alternativen beendeten wir die Tage jeweils im Schnapps.

Nein, kein Tippfehler und keine Angst. Schnapps hieß die einzige Kneipe im National Park Village. Dort trafen sich ein paar Locals und verwegene Backpacker und wir zu allem was man frittieren kann – und die Neuseelanänder können praktisch alles frittieren – zu Bier und zu Jägermeister. Gratulation an dieser Stelle an die Marketingabteilung in Braunschweig. Ihr habt es geschafft und seid wirklich auch im letzten Winkel dieses Planeten präsent.

Am dritten Morgen im Tongariro wachten wir auf bei blauem Himmel und Sonnenschein. Der Gipfel des Ruapehu leuchtete strahlend weiß und strafte den Wetterbericht Lügen. Es war der 21. Dezember, der Tag an dem die Sommer-Gondel ihren Betrieb aufnahm, so hatte uns Maria erzählt. Kurz entschlossen machten wir uns doch noch auf zu unserer Volcano-Experience. Um 9:00 Uhr sollte der Gondelbetrieb aufgenommen werden. Wir waren um 9:45 Uhr vor Ort, da wurden gerade mal die Walkie Talkies getestet, der Ticket-Verkauf war noch geschlossen, doch die völlig tiefenentspannten Neuseeländer meinten, es wäre alles OK und man würde „shortly“ starten. Tatsächlich saßen wir, kaum war eine weitere halbe Stunde vorbei, in der ersten Gondel, die den Berg hochfuhr. Testlauf sozusagen. Ein wenig spooky zwar, aber alles ging gut.

Wir waren zwar die ersten Hiker in der Bergstation, aber ein Angestellter, beladen mit Werkzeug und Markierungspfosten, machte sich auf den Weg zum Skyline-Walk um Pfosten zu reparieren oder zu ersetzen. Ohne ihn hätten wir den Weg wohl nicht gefunden. Er war gewissermaßen unser Guide. Obwohl er schwer zu tragen hatte, schritt er leichtfüßig vor uns her. Wir holten ihn immer dann ein, wenn er wieder einen Pfosten eingeschraubt hatte und weiter ging’s. Er ermunterte uns auch bis an den Berg-Grat nach oben zu klettern, obwohl wir bereits mitten in einer Wolke standen und kaum noch etwas sehen konnten. Unter unseren Schuhen fühlte es sich an, als würde man einen Berg aus Hydro-Kultur-Kügelchen besteigen.

Zum Glück folgten wir der Aufforderung unseres unfreiwilligen Guides, denn kaum hatten wir den Grat erreicht, gab die Wolke die Sicht auf die andere Seite frei, den Blick auf einen Kratersee und in die Tiefebene bis zum Lake Taupo. Glück gehabt, alles richtig gemacht. Unsere persönlicher Alpine Crossing Light Version.

Die Wolkendecke reißt auf und gibt den Blick frei vom Ruapehu über ein Schneefeld (2300m Höhe) zu einem der Kraterseen und rechts im Hintergrund zum Lake Taupo.

Rotorua – unüberriechbar

Rotorua heißt Rotorua, weil er der zweite See war, den die Maori bei ihrer Erforschung des Inlandes vorfanden. Die Maori gingen bei der Benennung sehr pragmatisch und simpel vor. Roto = See. Rua = zwei. Fertig.

Heute ist Rotorua weniger für seinen See bekannt, der ist nämlich ziemlich langweilig, weil kreisrund und ohne Buchten, sondern für die vielfältigen vulkanischen Tätigkeiten, die hier zu Tage treten, auch für den Laien leicht sichtbar und vor allem unüberriechbar sind. Schon lange bevor man ein Ortsschild entdecken kann, haben die Schwefelausdünstungen, die aus vielen Ritzen, Löchern und Tümpeln an die Luft entweichen, die Nase erreicht. Der junge, äußerst hilfsbereite Automechaniker, der den defekten Reifen an unserem Mietwagen wechselte – wer von Euch irgendwann einmal einen Mietwagen in Neuseeland ausleihen möchte, macht einen Bogen um die Firma AutoUnion, mehr schreib ich nicht dazu – meinte, es würde ca. eine gute Woche dauern, dann würde man den Schwefelgestank nicht mehr wahrnehmen. Na toll, wir bleiben drei Tage, d.h. drei Tage lang faule Eier, beim Aufstehen faule Eier, beim Mittagessen faule Eier (nicht zum Essen natürlich, sondern nur als olfaktorische Beigabe) und beim Schlafengehen immer noch faule Eier.

Rotorua bemüht sich, aus dem offenduftlichen Nachteil einen Vorteil zu machen und „verkauft“ seine vulkanischen Aktivitäten ebenso teuer wie all die sonstigen Outdoor-Aktivitäten, die dort in Hülle und Fülle vorzufinden sind. Man kann sich am Fuß ein Seil befestigen lassen und von einer Brücke springen. Oder man lässt sich in einen überdimensionalen durchsichtigen Plastikball einsperren und kugelt dann zu Tal. Ersteres wird ja mittlerweile weltweit praktiziert und als Bungee-Jumping angepriesen. Zweiteres nennt man Zorbing und dies wurde hier in Rotorua erfunden. Really. Daneben gibt es noch Mountainbiking, Hiking, Balloon-Flying, Rafting usw usw. You name it, they have it.

Will man nach oben spritzende Geysire, blubbernde Matsche und stinkende Rauchfontänen von Nahem betrachten und beriechen, so bietet Rotorua auch hier perfekt konfektionierte Ware und dies zu horrenden Preisen. Das von weitem sichtbare Gelände Te Pua bläst dem finanziell gut gepolstertem Touristen alles Vorzeigbare derart professionell auf, dass eine kleine Familie für die volle Show inklusive Haka-Dance-Vorführung und Bähnchen-Fahrt schnell einmal 200 Dollar auf den Tisch legen kann. Nein, kann sie nicht. No Cash wanted. Credit Card only.

Zum Glück hat unser Gastgeber Dana ein paar Insider-Tipps auf Lager, die uns dann doch noch mit Rotorua versöhnen. Dazu müssen wir zwar ein paar Kilometer mit dem Auto fahren, aber die sind es allemal wert. Am Rotohiki (roto= See [ihr erinnert euch?], hiki=klein) machen wir eine kleine Wanderung durch einen moderaten Regenwald, an einem Sturzbach entlang, der, wenn er weniger Wasser führt, von Raftern befahren wird, der aber auch so sehr spektakulär neben dem Wanderer rauscht. Die Flora ist wunderbar, Vögel fabrizieren alle möglichen Geräusche, die Luft sensationell rein und ohne Schwefelgehalt. Wir genießen den Walk und fahren anschließend zu einer völlig unscheinbaren Location, die uns aber völlig verzaubert.

Die Soda Springs sehen aus wie ein kleiner Fischweiher und die Zufahrt ist so schlecht ausgeschildert, dass wir zwei Mal vorbeifahren, zumal kein einziges Auto auf dem Parkplatz steht. Die Springs sind aber sehr wohl geöffnet, wie uns eine sehr freundliche Maori, die den Platz betreut, versichert. Die 10 Dollar Eintritt scheinen uns angemessen, nach allem, was wir schon erlebt und gezahlt haben. Wir ziehen in einem einfachen Holzverschlag, nichts ist aufgepimpt und aufgeblasen, keine Video-Animation begrüßt uns,  unsere Badesachen an und tasten uns vorsichtig in das lediglich 70 cm tiefe Wasser vor, lassen uns fallen und freuen uns über die natürliche und simple Erfahrung. Der Boden des Teichs besteht aus Sand und aus diesem blubbert warmes Wasser nach oben. Je nachdem wohin man sich im Teich bewegt, wird es mal kälter, mal wärmer. Kommt man einer sprudelnden Quelle zu nahe, wird es sogar unangenehm heiß. Wir lassen uns treiben und spüren den verschieden warmen Wassermischungen nach. Es fängt leicht an zu regnen. Um so schöner, ruhiger und märchenhafter gerät unser Aufenthalt in Soda Springs.

Die dritte Location, die uns in Rotorua ausnehmend gut gefällt, ist ein Wald mit Redwood-Bäumen. Zwar waren auch hier die Tourismus-Manager am Werk und durchzogen den Wald mit den beeindruckend massiven Bäumen mit Plateaus und Hängebrücken, so dass man in 20m Höhe von Baum zu Bau laufen kann. Doch hier scheint der Eingriff gelungen, das Erlebnis beeindruckt und hat sogar echten Informationsgehalt (der sabbaticalistische Lehrer freut sich). Besonders beeindruckend ist der Tree Walk am Abend, wenn eine Licht-Installation den Wald magisch leuchten lässt. Wir fotografieren und filmen fleißig. Dabei haben wir bereits unseren Tree-Man Lewis im Hinterkopf, dem wir per WhatsApp unsere Ergebnisse zuschicken, was ihn, welch Wunder, extrem begeistert. Kontinent-übergeifende Begeisterung, ausgelöst von Bäumen!

Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal bekam unser Aufenthalt in Rotorua, wie schon erwähnt, durch unseren AirBnB-Gastgeber Dana. Am Ankunftstag noch etwas muffig gelaunt, taute er beim ersten gemeinsamen Bier tags darauf merklich auf, erzählte gern und ausführlich von den sich und seiner Familie. Am dritten Tag wurde aus unserer Unterhaltung ungeplanterweise ein Interview, in dem Dana bereitwillig  über seine Muttersprache Maori Auskunft gab, von seiner Herkunft erzählte und die Bedeutung seiner Tattoos erklärte.

Maoris kannten bis ins 19. Jahrundert keine Schrift. Alle Geschichten ihrer Vergangenheit wurden durch Erzählungen, durch Gesänge und Tänze sowie durch Schnitzereien kommuniziert. Kein Wunder, dass das Geschichten-Erzählen auch Dana in den Genen liegt.

Hier sind die Links zu den beiden Videos in meiner Google-Galerie.

Einfach hier klicken

Unter der großen weißen Wolke

Die Ureinwohner Neuseelands, die Maoris, benannten das Land nach dem, was sie zuerst sahen, als sie dort ankamen: Aotearoa, das Land der großen weißen Wolke

Ein lang gehegter Traum ist wahr geworden. Wir wandeln auf den Spuren der Maoris, wir bewegen uns in dem Land, das so weit weg von unserem zu Hause ist wie kein anderes: Neuseeland oder New Zealand oder NZ (gesprochen: „en sed“, mit stimmhaftem s) oder Kiwi Country.

Würden wir dahoam in Balde im Garten ein Loch bohren, ein tiefes Loch, bis zum Erdmittelpunkt und dan nochmal dieselbe Strecke einfach weiterbohren, wir kämen ziemlich genau in NZ raus, hab ich zumindest schon ein paar Kiwis (Neuseeländer nennen sich selber auch so), erzählt und die haben sich ganz beeindruckt gezeigt.

Maoris sind die Ureinwohner Neuseelands, dabei sind sie selber „erst“ seit ca. 1500 Jahren hier. Sie sind nämlich selbst Einwanderer und von den Inseln um das heutige Tahiti mit Booten hierher gerudert. Sie waren aber einfach früher da als die Engländer und Holländer und all die anderen und können sich so Ureinwohner nennen.

Unser erster AirBnB-Gastgeber Dana, ist selber 50% Maori und für mich war es super spannend ihn ein wenig zu befragen über seine Tattoos, seine Muttersprache Maori, seine Herkunft, seine Denkweise und und und. Die beiden Videos werde ich im nächsten Blogeintrag verlinken, für alle die es interessiert. (Vorsicht: Cliffhanger 😉 )

Die erste Nacht verbrachten wir zum Ankommen direkt in der größten Stadt Neuseelands, Auckland. Mit 1,6 Millionen Menschen leben schon einmal mehr als 30 Prozent aller Kiwis in dieser Großstadt. Unser erster Eindruck von den Menschen ist, dass sie extrem offen und zugänglich sind. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird man gefragt, woher man denn kommt und nach der Antwort entwickelt sich meist ein freundliches Hin-und-Her, immerhin sind 75 Prozent aller Einwohner des Landes erste oder zweite Generation Europäer und demnach hat jeder eine Geschichte zu erzählen, sobald es um Europa geht.

Der Heiner Finck Aucklands

Nach der ersten Nacht im Stadtteil Ponsonby kamen wir beim Frühstück in einem Straßencafé mit einem netten Herrn ins Gespräch, der uns sehr schnell als der perfekte Kommunikator auffiel. Scheinbar saß er jeden Vormittag hier in seinem Stamm-Café und hielt Hof. Offensichtlich kannte ihn auch so gut wie jeder und jede, die so vorbeikam. Er erinnerte uns sogleich an unseren guten alten Freund Heiner Finck, der einen ähnlichen Lebensstil pflegt.

Graham, der Heiner Finck von Auckland

Ohne langes Zögern, aber auch ohne jegliche Aufforderung unsererseits überreichte er uns seine Business Card und meinte, wir könnten ihn jederzeit anrufen, solange wir in NZ sind und irgendein Problem hätten. Er würde uns jederzeit helfen und jedwedes Problem lösen. Ganz der Heiner 😉

Coromandel Peninsula – Landschaft pur

Als kleinen Tipp gab uns Graham noch mit, bei unserer Weiterfahrt über die Halbinsel Coromandel zu fahren. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und die Fahrt an der Küste der Peninsula entlang war tatsächlich traumhaft schön. Die Farbskala zwischen Blau und Grün schien hundert-, ja tausendfach abgewandelt. Nach jeder Kurve ein neuer, noch gewaltigerer Ausblick in praktisch alle Richtungen. Über die Ausbuchtung des Meeres hinweg konnte man am Horizont noch die Skyline von Auckland erkennen, ansonsten ein nahezu übergangsloses Ineinander von Himmel, Meer und Land. Einfach grandios.

Gerne wären wir tatsächlich noch länger auf Coromandel geblieben und mussten schweren Herzens von unserer ganz ursprünglichen Devise abweichen, zu bleiben, wo es uns gefällt. Die Buchung in Rotorua war getätigt und auch schon bezahlt. Da blieb dem Oberpfälzer „Rouchl“ in mir auch nichts mehr anderes übrig: „wenns scho zoohlt is, dann mäima aa dou hie“

Trotzdem bekam Coromandel einen ganz besonderen Platz auf unserer Liste und, wer weiß, vielleicht zieht es uns dort auch noch einmal hin, am Ende unserer NZ-Experience.

Von den blauen Bergen kommen wir…

Wir hatten erst einmal nicht erwartet, 90 Minuten außerhalb von Sydney zu sein, und hatten zugegebenermaßen auch nicht genau genug recherchiert. Da waren wir also in Woodford, in den Blue Mountains, bei Alan und Melinda. Und wie es nun mal so ist. Unverhofft kommt oft. Alan, unser Gastgeber entführte uns am Tag nach unserer Anreise mit seinem Auto in die Blue Mountains, erst nach Katoomba, dem ehemaligen Kur- und Spa-Ort für die Leute aus Sydney, die es sich leisten konnten, entweder der Hitze, dem Nebel oder dem Stress der Großstadt zu entfliehen. Die Hauptattraktion Katoombas ist ein Wanderweg zu einer spektakulären Felsformation, genannt Three Sisters. Normalerweise wären wir nie hier gelandet, sondern wären wohl stundenlang zwischen den Hochhäusern Sydneys herumgelaufen. So aber erkannten wir sofort, was die Stunde geschlagen hatte. Wie ein Wink des Schicksals präsentierte sich uns Laura, Eva und Amelie sowie rechts daneben, etwas kleiner unser Mariechen. Alles klar? Wir MUSSTEN quasi hierher kommen.

Katoomba war mittlerweile zu einem Ort geworden, an dem sich Touristen trafen um die spektakuläre Natur zu beobachten, unterfüttert von geschäftstüchtigen Businesses, die eine Seilbahnfahrt und einen Aufzug ambieten. Katoomba ist aber auch der Lebensmittelpunkt vieler Künstler, Musiker und Schriftsteller. Dementsprechend fühlt sich auch die Atmosphäre dort an.

Alan, der es gewohnt ist, den Fremdenführer zu geben, weil er und seine Frau gerne und unkompliziert Freunden und Freundesfreunden Gastgeber sind, war nun in seinem Element. Er fuhr uns von Ort zu Ort, von Lookout zu Lookout nicht ohne zwischendurch in seinem Lieblings-Café einen Zwischenstopp einzulegen. Dabei spielte auch das ehemalige Tagebau-Gebiet „The Lakes“ eine große Rolle, in dem er und Peter (!!) bei der Renaturierung wichtige Rollen spielten. Auch die Ruder- und Kanustrecke bei den olympischen Spielen 2000 liegt in diesem Gebiet. Die dürfen wir natürlich nicht links und auch nicht rechts liegen lassen. Auf einer Bronze-Säule waren alle Medaillengewinner von 2000 verzeichnet, unter anderem die deutschen Legenden Birgit Fischer und Marcel Hacker.

Am Abend revanchierten wir uns ein wenig für die Woods’sche Gastfreundschaft, indem Ingrid ihre sagenhaften gefüllten Pfannkuchen kochte, die wir dann gemeinsam verspeisten. Alans selbstgebrautes Bier stellte die perfekte Ergänzung dazu dar. Sehr respektabel, was sich der studierte Landwirtschafts-Ingenieur an Bier-Know-How angeeignet hatte.

Was ist nun besser? Sydney? Oder doch Melbourne?

Der Blue-Mountain-Train brachte uns am nächsten Tag wieder ins Herz Sydneys, wenn auch mit erheblichen Problemen wegen defekter Gleise. Ein Freight Train hatte auf einer Länge von 10km die Gleise demoliert. Schienen-Ersatz-Verkehr!!! Nördlingen, du bist nicht allein mit derartigen Problemen.

Wir fuhren erneut zum Hafen, der mit seiner Kombination aus Opernhaus, Harbour Bridge, Royal Botnaic Garden und klarem blauen Wasser einfach einmalig ist. Punkt für SYD. Die Innenstadt Sydneys beließen wir unerforscht, erschien sie uns doch eher „just like any other big city“. Punkt für MEL. Direkt am Hafen befindet sich auch das Museum of Contemporary Art, von dessen Café-Terrasse im 4. Stock man normalerweise einen sensationellen Blick auf den Hafen hat. Doch ein Ozean-Riese in Form eines gigantischen Kreuzschiffs lag prominent vor Anker und versperrte jedweden Ausblick. Wahnsinn.

Wir beschlossen, unsere Opal-Card, mit der man sämtliche Transportmittel Sydneys nutzen kann, weiter zu melken und fuhren mit der Fähre nach Manly. Allein schon die Ausblicke zurück auf Opernhaus und Hafen sind die Fährfahrt wert. Sie kostet ohnehin nur AED 1,40, eines der wenigen Dinge, die in Australien günstig sind.

Schon bei der Überfahrt fiel uns auf, dass einige Passagiere extrem leicht bekleidet waren. Außer einem Bikini, Badeschlappen und einem Handtuch hatten manche Mädels nichts dabei. Manly-Beach entpuppte sich als DER Strand für junge Strand- und Surf-Fans. Als gäbe es ein ungeschriebenes Gesetz ist der Aufenthalt dort wohl nur denen gestattet, die nahezu perfekte Körper vorweisen können und auch bereit sind, eben jenen zur Schau zu stellen. Der fast weiße Sand und das türkisblaue Wasser tun ihr Übriges, dass man unwillkürlich an Malibu oder Venice Beach denken muss. Punkt für SYD.

Wir machen uns auf, um die Nordspitze von Manly zu erwandern, vorbei an Shelly Beach bis zum North Head, wo uns ein unerwartet grandioser Blick zurück auf Sydneys Skyline geboten wird.

Das dort wunderbar gelegene Café hatte seine Pforten, warum auch immer, bereits um 4 p.m. geschlossen, so dass wir uns hungrig, durstig und missmutig auf den Rückweg machten, den wir noch dazu ziemlich unterschätzt hatten. Zum Glück nahm uns eine junge Künstlerin aus der auf Manly beheimateten Bronze-Gießerei mit zurück zur Wharf und erzählte uns während der fünf Minuten Fahrtzeit von ihrem familiären Hintergrund: Vater Österreicher, in Wien gelebt etc. Fast jeder Australier, mit dem wir ins Gespräch kommen – nein, „fast“ bitte streichen – hat direkte Connections zu Europa, viele zu Deutschland oder deutschsprachigen Ländern, von der klassischen Vergangenheit als Nachfahre von britischen Gefängnis-Insassen einmal völlig abgesehen. Aberdavon später.

Unser Ausflug nach Manly und die Ausblicke auf etliche weitere kleine Beaches, die sich in Abständen immer wieder entlang der Küste zeigen, lässt mein persönliches Pendel der Entscheidung, welche der beiden konkurrierenden Städte denn jetzt die schönere, attraktivere wäre schon ziemlich deutlich in Richtung Sydney ausschlagen. Vielleicht bin ich aber auch einfach ein klitzekleinwenig beeinflusst von den Passagierinnen auf der Manly-Fähre. Aber nur vielleicht.

Ein Volk von ehemaligen Gefängnisinsassen?

Zurück zur britischen Vergangenheit vieler Australier. Ich konnte es nicht lassen und musste auch unseren Alan dazu befragen. Volltreffer. Seine Herkunft könnte auch im Go Ahead Band 9 Unit3 (Englischbuch der Realschule, das sich mit Australien und Neuseeland beschäftigt) behandelt werden. Sein Urgroßvater kam auf einem Gefangenen-Schiff aus Irland nach Down Under, nachdem in den Gefängnissen des Königsreichs Platzmangel herrschte. Über die Schwere seines Vergehens konnte Alan keine Aussagen machen. Vielleicht wollte er auch nicht.

Seine Urgroßmutter war während und wegen der großen Hungersnot in den 1830ern aus Irland nach Australien ausgewandert um zu überleben. Klassisch. Wie im Geschichtsbuch. Ebenso typischerweise hatte sein Urgroßvater ein Pub eröffnet, wobei er tagsüber den Kneipenraum als Schule nutzte und Kinder unterrichtete. Kneipier und Schulleiter in Personalunion. Interessante Kombi, denkt sich der Sabbaticalist.

Von Melbourne nach Sydney via Rollercoaster

Wir, besser gesagt, ich hatte mir in den Kopf gesetzt mit dem Auto von Melbourne nach Sydney zu fahren, entlang der Küste, lächerliche 900 Kilometer. Das ganze Unterfangen stellte sich aber als komplizierter heraus als ich es mir vorgestellt hatte. Es begann schon mit dem Mieten eines entsprechenden Autos, was erstens kompliziert, zweitens teuer und drittens teuer war. Achja, teuer war’s auch. Nach langen und nervtötenden Recherchen, zum Teil vor Ort bei Sixt, Europcar und wie sie alles heißen, zum Teil online. Mein Ausspruch vor Ort: „I don’t want to buy this car, I just want to rent it.“ stieß bei der unfreundlichen Avis-Mitarbeiterin auf völlige Unverständnis. Die 400 Dollar Aufpreis dafür, dass wir das Auto nicht in Melbourne zurückgeben, sondern in Sydney seien doch schließlich „cheap“, meinte sie .

Anyway, finally we did it, und – fuck the cost – der Toyota Corolla Hybrid folgte der schlangenförmig sich hinwindenden A1 sehr brav, folgsam, weich und sogar sparsam. Immerhin. Doch das anfängliche Fahrvergnügen, das einer Fahrt in einem Rollercoaster ähnelte – dauerhaftes kurviges Auf und Ab – wich schon bald einer gewissen Langeweile, weil wir nicht wie geplant an der Küste entlang fuhren mit grandiosen Ausblicken aufs Meer, sondern mitten durch den Eukalyptuswald, der uns links wie rechts schwarze Stämme präsentierte, weil die Bushfires im Jahr 2020 dort gewütet hatten. Die widerstandsfähigen, ölhaltigen Bäume trieben aber tatsächlich wieder frisch aus und zeigte sich gut erholt.

Wir unterteilten die 900 Kilometer in drei Streckenabschnitte und suchten uns jeweils eine Unterkunft nahe am Meer. Für die jeweils 300 km benötigten wir jedoch nicht etwa die prognostizierten drei Stunden, sondern deren fünf und das obwohl von Verkehr auf der A1 keine Rede sein konnte. Bei einem Pinkelstopp, Dauer zweieinhalb Minuten, störte bei der Verrichtung der Notdurft kein einziges Auto, egal in welcher Richtung. Entsprechend entvölkert präsentierten sich auch die Orte, die wir ansteuerten: Lakes Entrance, Mallacoota oder Eden verbreiteten eher den Charme ruhiger Rentner-Paradiese: ruhig, wunderbare Ausblicke, leere Strände, nix los. Narooma erfreute uns durch seinen sensationell gelegenen Golfplatz – einer der schönsten Australiens, wie man uns versicherte – durch den bekannten Australian Rock, dessen Öffnung an den Umriss des Kontinents erinnert und durch die Seehund-Kolonie, der man sich bis auf wenige Meter problemlos nähern konnte.

Der letzte Zwischenhalt vor Sydney hieß Jervis Bay und der Ort unserer Wahl Huskisson. Das dortige Jervis Bay Motel hielt ein zwar sehr kleines, aber sauberes Zimmer mit neu installiertem Bad, schnellem WLAN und entgegen der Ankündigung in booking.com mit Meerblick für uns bereit. Wir gönnten uns im Jervis Bay Club sehr britisch anmutende Fish-n-Chips und genossen die entspannte Atmosphäre in der schönen Bucht.

Insbesondere die morgendliche Stimmung am Strand entließ uns gut gelaunt und entspannt zurück in den Rollercoaster, der uns kurvenreich bis nach Sydney brachte. Vor der Autoabgabe am Sydney Airport hatten wir uns in den Kopf gesetzt, bis zum Opernhaus zu fahren, was wir auch taten und im darunter liegenden Parkhaus parkten. Wie euphorisiert von dem weltweit einmaligen Icon des Gebäudes und der Harbour Bridge dahinter, schossen wir Bilder und produzierten ein paar Videos an unsere Lieben zu Hause. Eine Video-Message an meine Englischklassen durfte nicht fehlen. Hatte ich schließlich versprochen, wenn ich meine letztjährige 5a, 9a und 9b schon ein Jahr lang im Stich ließ.

wie versprochen: Video-Botschaft an meine „alte“ Englischklasse

Problemlos schafften wir den Drop-Off-Termin für unseren Toyota und standen danach wieder mit großem Gepäck und ohne Auto da. Aber: wir hatten die Adresse und Kontakt zu Alan und Melinda, Freunde unseres Freundes Peter aus Nördlingen. Die unerwartet lange 90-minütige Zugfahrt zu den beiden nach Woodford verlief stressfrei, gut organisiert und sicher. Als Alan uns am Bahnhof von Woodford in den Blue Mountains abholte, fühlten wir uns angekommen und gut aufgehoben. Der gemeinsame Abend bei frisch gekochtem Curry-Gemüse war lehrreich (in terms of English), unterhaltsam (in terms of communication) und lustig (in terms of sharing stories about Peter, so-called Peter-Stories).

Es ist die schönste Art zu reisen, in der Fremde Freunde zu treffen, auch wenn es Freunde von Freunden sind, die man bislang nicht einmal kannte. Die Gastfreundschaft von Alan und Melinda, die uns ihr perfekt ausgebautes und ausgestattetes Studio, in dem es wirklich an nichts fehlte, zur Verfügung stellten ist beispiellos. Aber davon später.

Melbourne – laut, teuer, spektakulär

Kontrastprogramm: nach dem Getöse und Gewimmel Bangkoks verließen wir Asien und machten uns auf zu einem von uns noch nie bereisten Kontinent: Australien, Down Under.

Erste Station: Melbourne. Genauer gesagt: Gisborne. Noch genauer: Gisborne Park. So heißt nämlich ganz unbescheiden das Anwesen unserer Freundin Niki, die es vor ein paar Jahren aus dem fernen Nördlingen nach Australien zog, aus dem kleinen, historischen Städtchen auf eine Farm im Hinterland Melbournes. Mit ihrem Lebensgefährten Michael und ihrer Tochter Charlotte, auch Lottie genannt, wohnt Niki in einem ursprünglichen Farmhouse mit modernen An- und Zwischenbauten. Platz ist kein Problem – um das Anwesen einigermaßen erleben zu können, benutzt man am besten ein Quad. Lärm ist auch kein Problem, es gibt nämlich keinen. Eigentlich gibt es überhaupt kein Problem. Wir genießen die zwei Tage auf Gisborne Park und fühlen uns dort fast wie zu Hause.

great to have friends around the world, even down under

Trotzdem zieht es uns weiter. Wir wollen schließlich auch noch ein wenig Melbourne erkunden, jene Stadt, der man nachsagt, mit Sydney zu konkurrieren, nur nicht so angeberisch zu sein. Was die Hochhaus-Architektur angeht, gibt sich Melbourne allerdings doch ein klitzekleinwenig protzig. Wie ein Spielplatz für Skyscraper-Architekten mutet es an, wenn man downtown Melbourne mit dem Kopf im Nacken unterwegs ist. Hier eine kleine Auswahl von Ingrids Fotos. Ein Link zu einer Galerie für Architektur- und/oder Fotografie-Freunde findet sich ganz unten an diesen Blog-Eintrag angehängt.

So spektakulär wie Melbourne sich präsentiert, so teuer ist es auch und so laut. Das Frühstück im angesagten Higher Ground, einer ehemaligen Kirche, besteht aus einem tatsächlich leckeren Cappuccino – Kaffee ist den Melbournern sehr wichtig – und einem Stück Brot mit Avocado.

Die Rechnung weist zu unserer Überraschung mehr als 40 Dollar aus, australische zwar, aber dennoch. Je öfter man eine „Bill“ nach Restaurant- oder Café-Besuch präsentiert bekommt, desto mehr stumpft man ab und so sehr wir am Anfang geschockt sind, so leger hält man schon bald die VISA-Karte ans Zahlgerät und lässt abbuchen.

das angesagte Higher Ground-Kaffeehaus

Eine Diskussion mit der Bedienung ist sowieso kaum möglich, weil der Lärm sich aus lauter Musik, vielstimmigem Geplapper, Geklirre und Geklimper sowie dem Echo von den Wänden zusammensetzt und undurchdringbar scheint. Wie man sich bei dem Getöse auch noch unterhalten kann, ist mir persönlich ein Rätsel, aber es scheint möglich. Nach dem Verlassen des Lokals ist der Lärm aber nicht vorbei, im Gegenteil: der Zug über uns, Autos und vor allem die legendäre Tram, Großstadtlärm vom Feinsten.

Melbourne hat das längste Tram-Netzwerk der Welt

Melbourne erinnert uns zum ersten Mal, dass ja Vorweihnachtszeit ist. Adventliche Deko und Musik allenthalben und eigentlich hätte Melbourne mehr verdient als nur die zwei Tage. Es hätte noch viel zu entdecken gegeben, aber… wir wollen/müssen weiter.

Hier ist noch der versprochene Link zu Ingrids Bilder-Galerie.

Two nights in Bangkok – Kop Kunh Ka

Das Zauberwort lautete „Khun Han“, als wir am Fuße der beiden 34 Stockwerke hohen Wohntürme direkt am Chao Phraya-Fluß in Bangkok angekommen waren. Das vielköpfige Sicherheitspersonal am Empfangstresen wusste sofort Bescheid und winkte uns mit ehrerbietigen Gesten durch, während sie nicht zuließen, dass wir unser Gepäck selber schieben wollten. Das Schlüsselwort hatte uns unser Gastgeber namens Hans eingeimpft, wohl wissend, dass das Thai-Personal ein s nach Konsonant selber nicht sprechen kann und deshalb den „Hans“ auch nicht versteht. Khun Han dagegen war ihnen allen ein Begriff, wobei Khun gewissermaßen für die Anrede steht.

Kaum war das Zauberwort ausgesprochen, wir zu einem der Aufzüge geleitet, surrten wir auch schon, natürlich in Begleitung, nach oben in den 22. Stock. Der Ausblick, der sich uns dort, nach kurzer, informeller aber herzlicher Begrüßung bot, raubte uns allerdings kurz den Atem. Wir rangen nach Worten. Der Balkon von Khun Han und Khun Inge schlängelte sich beinahe 360 Grad um den Wohnturm und gab den Blick frei auf den Fluss, auf das alte Bangkok mit seinen vielen Tempeln und dahinter auf die komplette Skyline. Wie ein moderner Canaletto, nicht von Dresden, sondern von der Riesenmetropole Thailands mutete die Szenerie an in seiner Lichtdurchdrungenheit und seiner Kleinteiligkeit, surreal fast, wäre da nicht das ohrenbetäuende Dröhnen der Schlepper, die Lastkähne den Fluss entlangzogen und ihre Diesel-Motoren bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit aufdrehten. Beinahe wie im Zeitraffer legte sich die Dämmerung über die Szenerie und Bangkok fing an zu leuchten.

Wir genossen die Hintergrundkulisse ebenso wie das frisch eingeschänkte Singha-Bier der ortsansässigen Brauerei, die durchaus spür- und schmeckbar von einem deutschen Braumeister angeleitet wird. Die angeregte Unterhaltung mit unseren Gastgebern wurde dann nur noch unterbrochen vom professionell vorgetragenen Happy-Birthday, das von einem der vielzähligen Ausflugsschiffe heraufschallte. „Kein Tag, an dem nicht irgendjemand auf diese Art Geburtstag feiert,“ konstatierte Khun Inge lapidar, „und wir sind immer live dabei.“ Aber dies gilt es wohl in Kauf zu nehmen, wenn man im Gegenzug jeden Tag den thailändischen Canaletto vor dem Balkon zu sehen bekommt.

Am selben Abend noch laden uns unsere Gastgeber nicht nur zu einem Thai-Essen in ein Dschungel-Restaurant ein, das auf dem Campus der riesigen Mahidol-Universität zu finden ist, sondern auch zu einer musikalischen Überraschung in den kleinen Konzertsaal der Musik-Akademie. Zu unser aller Überraschung lieferten blutjunge Musik-Studentinnen und Studenten Kostproben ihres Könnens ab, indem sie mehr oder weniger bekannte Jazz-Arrangements aus USA interpretierten. Dass ich in Bangkok ein Wiederhören mit Songs der Brecker-Brothers und Joe Hendersons erleben würde, hätte ich im Leben nicht erwartet.

Besonders beeindruckend fanden wir den Enthusiasmus der jungen Thais gegenüber der mittlerweile klassisch, ja alten Musik sowie deren Spieltechnik, Fingerfertigkeit und Tempo. Be-swingt machten wir uns auf den Heimweg zu unserem erneuten und immer wieder atemberaubenden Balkonblick und konnten kaum fassen, was für ein Glück und Geschenk es doch ist, Menschen zu kennen, in diesem Fall sogar Verwandtschaft, die es uns erlauben, so in eine für uns ansonsten fremde Welt einzutauchen wie man es als normaler Tourist niemals könnte.

„Two nights in Bangkok make a hard man humble“ hing als Ohrwurm in unserem Kopf, außer wenn er von „Happy Birthday“ unterbrochen wurde, während die drei Tage bei Khun Han und Khun Inge viel zu schnell vergingen. Doch es war an der Zeit für den nächsten Kontinent.

Nach Afrika und Asien stand Australien auf unserer Itinerary und nach den Airport-Erfahrungen der letzten Wochen wollten wir diesmal perfekt vorbereitet sein. Neben dem Ticket von Bangkok nach Sydney beantragten wir frühzeitig das Einreisevisum und ließen es uns gar noch auf Papier ausdrucken. Außerdem gleich noch das Flugticket von Sydney nach Auckland um nachzuweisen, dass man das Land der Känguruhs, Spinnen und Schlangen auch wieder verlassen würde, ebenfalls auf Papier. Fast schon enttäuscht blickten wir uns gegenseitig an, als die Abfertigungsdame am AirAsia-Schalter keines unserer wohlweislich vorgehaltenen Dokumente zu sehen verlangte. Wahrscheinlich muss man die ganze Palette der Nachweise in petto haben um entsprechend selbstbewusst zu wirken, damit man erst gar nicht danach gefragt wird.

„Again what learned,“ wie ein ehemals berühmter Fußballer aus Herzogenaurach einmal ins Mikrofon eines Journalisten rief. „Again what learned.“

Australia, we’re coming.

« Ältere Beiträge

© 2024 Der Sabbaticalist

Theme von Anders NorénHoch ↑