Das Zauberwort lautete „Khun Han“, als wir am Fuße der beiden 34 Stockwerke hohen Wohntürme direkt am Chao Phraya-Fluß in Bangkok angekommen waren. Das vielköpfige Sicherheitspersonal am Empfangstresen wusste sofort Bescheid und winkte uns mit ehrerbietigen Gesten durch, während sie nicht zuließen, dass wir unser Gepäck selber schieben wollten. Das Schlüsselwort hatte uns unser Gastgeber namens Hans eingeimpft, wohl wissend, dass das Thai-Personal ein s nach Konsonant selber nicht sprechen kann und deshalb den „Hans“ auch nicht versteht. Khun Han dagegen war ihnen allen ein Begriff, wobei Khun gewissermaßen für die Anrede steht.

Kaum war das Zauberwort ausgesprochen, wir zu einem der Aufzüge geleitet, surrten wir auch schon, natürlich in Begleitung, nach oben in den 22. Stock. Der Ausblick, der sich uns dort, nach kurzer, informeller aber herzlicher Begrüßung bot, raubte uns allerdings kurz den Atem. Wir rangen nach Worten. Der Balkon von Khun Han und Khun Inge schlängelte sich beinahe 360 Grad um den Wohnturm und gab den Blick frei auf den Fluss, auf das alte Bangkok mit seinen vielen Tempeln und dahinter auf die komplette Skyline. Wie ein moderner Canaletto, nicht von Dresden, sondern von der Riesenmetropole Thailands mutete die Szenerie an in seiner Lichtdurchdrungenheit und seiner Kleinteiligkeit, surreal fast, wäre da nicht das ohrenbetäuende Dröhnen der Schlepper, die Lastkähne den Fluss entlangzogen und ihre Diesel-Motoren bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit aufdrehten. Beinahe wie im Zeitraffer legte sich die Dämmerung über die Szenerie und Bangkok fing an zu leuchten.

Wir genossen die Hintergrundkulisse ebenso wie das frisch eingeschänkte Singha-Bier der ortsansässigen Brauerei, die durchaus spür- und schmeckbar von einem deutschen Braumeister angeleitet wird. Die angeregte Unterhaltung mit unseren Gastgebern wurde dann nur noch unterbrochen vom professionell vorgetragenen Happy-Birthday, das von einem der vielzähligen Ausflugsschiffe heraufschallte. „Kein Tag, an dem nicht irgendjemand auf diese Art Geburtstag feiert,“ konstatierte Khun Inge lapidar, „und wir sind immer live dabei.“ Aber dies gilt es wohl in Kauf zu nehmen, wenn man im Gegenzug jeden Tag den thailändischen Canaletto vor dem Balkon zu sehen bekommt.

Am selben Abend noch laden uns unsere Gastgeber nicht nur zu einem Thai-Essen in ein Dschungel-Restaurant ein, das auf dem Campus der riesigen Mahidol-Universität zu finden ist, sondern auch zu einer musikalischen Überraschung in den kleinen Konzertsaal der Musik-Akademie. Zu unser aller Überraschung lieferten blutjunge Musik-Studentinnen und Studenten Kostproben ihres Könnens ab, indem sie mehr oder weniger bekannte Jazz-Arrangements aus USA interpretierten. Dass ich in Bangkok ein Wiederhören mit Songs der Brecker-Brothers und Joe Hendersons erleben würde, hätte ich im Leben nicht erwartet.

Besonders beeindruckend fanden wir den Enthusiasmus der jungen Thais gegenüber der mittlerweile klassisch, ja alten Musik sowie deren Spieltechnik, Fingerfertigkeit und Tempo. Be-swingt machten wir uns auf den Heimweg zu unserem erneuten und immer wieder atemberaubenden Balkonblick und konnten kaum fassen, was für ein Glück und Geschenk es doch ist, Menschen zu kennen, in diesem Fall sogar Verwandtschaft, die es uns erlauben, so in eine für uns ansonsten fremde Welt einzutauchen wie man es als normaler Tourist niemals könnte.

„Two nights in Bangkok make a hard man humble“ hing als Ohrwurm in unserem Kopf, außer wenn er von „Happy Birthday“ unterbrochen wurde, während die drei Tage bei Khun Han und Khun Inge viel zu schnell vergingen. Doch es war an der Zeit für den nächsten Kontinent.

Nach Afrika und Asien stand Australien auf unserer Itinerary und nach den Airport-Erfahrungen der letzten Wochen wollten wir diesmal perfekt vorbereitet sein. Neben dem Ticket von Bangkok nach Sydney beantragten wir frühzeitig das Einreisevisum und ließen es uns gar noch auf Papier ausdrucken. Außerdem gleich noch das Flugticket von Sydney nach Auckland um nachzuweisen, dass man das Land der Känguruhs, Spinnen und Schlangen auch wieder verlassen würde, ebenfalls auf Papier. Fast schon enttäuscht blickten wir uns gegenseitig an, als die Abfertigungsdame am AirAsia-Schalter keines unserer wohlweislich vorgehaltenen Dokumente zu sehen verlangte. Wahrscheinlich muss man die ganze Palette der Nachweise in petto haben um entsprechend selbstbewusst zu wirken, damit man erst gar nicht danach gefragt wird.

„Again what learned,“ wie ein ehemals berühmter Fußballer aus Herzogenaurach einmal ins Mikrofon eines Journalisten rief. „Again what learned.“

Australia, we’re coming.