Ein ncoh eingerolltes Blatt eines Farns, der Symbolpflanze für Neuseeland. Die Firm steckt in vielen Mustern der Maoris und symbolisiert Kraft und Leben.

Auf den ersten Blick wirkt Neuseeland wie das letzte Refugium unberührter Natur auf diesem Planeten. Milde Temperaturen während des gesamten Jahres und ausreichend Regen bescheren dem Land das Aussehen einer einzigen grünen Oase. Üppige, ausgedehnte Wälder, Hügel und Täler wie von einem grünen Teppich bedeckt scheinen sich schier unendlich hinzustrecken. Ein Paradies für Rinder und Schafe.

Doch halt, Moment, was sind das für kahle, abgestorbene Bäume, die aus dem Wald bei Picton auf der Südinsel ragen? Hat es gebrannt? – Nein, die Pinien wurden gezielt vergiftet. – Ein Anschlag, ein Attentat von Natur-Terroristen? – Wieder: nein. Das Department of Conservation, Neuseelands Naturbehörde greift hier im großen Stil ein. Die Pinie ist eine Fremdpflanze und gehört getilgt.

Das Bekämpfen von bestimmten Pflanzen, die unerwünscht sind, ist in Neuseeland weit verbreitet. Sei es Unkraut am Straßenrand oder Gräser, die den traditionellen 7-wire-fence zu überwuchern drohen oder die Pflanzen, die den pittoresken Coastal Walk in Mangarai  bedrohen, die Giftspritze ist schnell bei der Hand. Und bei den Mitteln der Wahl wird auch nicht gekleckert. Das in Deutschland verbotene Roundup ist nun einmal unübertroffen in der Wirkung.

Was für Pflanzen gilt, gilt auch für Tiere. Bestimmte Tierarten, die meist von den europäischen Siedlern bewusst oder unbewusst eingeführt wurden, gelten als „the pest“ und werden mit aller Härte verfolgt. Insbesondere Ratten, Wiesel und Opossums sind die ultimativen Feinde des neuseeländischen Naturschützers, gefährden sie doch den heiligen Vogel der Kiwis: den Kiwi. Lebendfallen, Giftportionen und Köder begleiten den Weg des Wanderers entlang vieler wunderbarer Hiking-Tracks.

Beim Betreten mancher Wälder fühlt man sich wie in der Hygiene-Schleuse eines deutschen Krankenhauses. Um das Einschleusen gefährlicher Sporen zu verhindern, wird der Besucher aufgefordert, nein, eher gezwungen, sein Schuhwerk zu säubern und zu desinfizieren, beim Eingang und beim Ausgang!

Hat man die Schleuse zum Wald gemeistert, läuft der Naturliebhaber nicht etwa auf federndem Waldboden, sondern auf einem speziell angelegten Bretterpfad mit aufgetackertem Plastikgitter.

Vor dem Verlassen des Holzwegs (Vorsicht Wortspiel!) wird mit Androhung von Strafen gewarnt. Den gigantischen Kauri-Bäumen im Waldgebiet von Waitoumo, den Wahrzeichen Neuseelands, darf man sich nicht zu dicht nähern. Kaum zu glauben, dass ein Tourist, der so einen Baumriesen berühren möchte, ihm tatsächlich unwiederbringlichen Schaden zufügt, indem er auf seine Wurzeln tritt. Gerne hätten wir den größten und ältesten Baum des Landes, den Tane Mahuta mit seinem 13 Meter Umfang messenden turmartigen Stamm umarmt, oder es zumindest versucht, aber natürlich (wieder Wortspiel!) sind wir andächtig ein paar Meter von ihm entfernt geblieben um ihn nicht zu gefährden.

Möge er noch weitere 2000 Jahre wohlbehütet weiter dort stehen und wachsen, umzäunt und auf hygienisch abgeriegeltem Boden stehend. Vielleicht muss man ihm demnächst ein Sauerstoffzelt bauen sowie eine temperierte Schutzhülle angedeihen lassen. Den Neuseeländern wäre es zuzutrauen.

So sehr der Wald, besser gesagt, bestimmte Bäume geschützt werden, so brutal und schonungslos werden sie andernorts abgeholzt. Clear-Cut ist nun einmal die bequemste Methode um aus dem Wald Profit zu schlagen. Und danach wird die nächste Monokultur gleich wieder angepflanzt. Klappt super. Sieht nicht so toll aus, macht aber nix. Für den Naturgenuss kann man ja in den Wald mit Hygieneschleuse gehen!

Clear Cut: die profitabelste Methode der Forstwirtschaft, kurzfristig gedacht.

Schlussbemerkung: meine Ausführungen mögen einseitig sein und die lokalen Naturschutzbehörden, Waldwirtschafter, Farmer, Department of Conservation-Mitarbeiter werden jede Menge Gegenargumente ins Feld führen.

Angesichts der beeindruckenden Landschaft, die Neuseeland vorzuweisen hat, beschleicht den naiven und laienhaften Besucher wie mich, der Zweifel, ob die Kiwis hier den richtigen Ansatz verfolgen.

Warum hört der Wanderer auf dem Queen Charlotte Track in der Resolution Bay kaum noch einen Vogel pfeifen? Captain Cooks Begleiter und Berichterstatter hatten geschwärmt vom Orchester der Vögel, das sie dort genießen konnten. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der neuartigen, eigenartigen Stille dort und der Art und Weise, wie Neuseeland mit seiner Natur umgeht?  Kompetentere Menschen als ich mögen diese Frage fachmännisch und fachfrauisch beantworten. Hoffentlich werden sie gehört.