Nichts wie weg!

Seit unserem eigentlichen Abflugtermin am Samstag war es also nun schon Dienstag geworden und immer noch saßen wir im Tamarind Tree Hotel in Nairobi und hofften dass heute alles gut gehen würde. Schließlich hatten wir ein gültiges Ticket von Qatar Air auf den Handys, sicherheitshalber sogar auf Papier, netterweise ausgedruckt von der uns wohlgesonnenen und gut bekannten Hotel-Rezeption. Als wir uns 24 Stunden vor Abflug nicht online einchecken konnten, wuchs unsere Skepsis, wurde aber von redegewandten Fluggesellschaftsmitarbeiterinnen am Telefon beschwichtigt.

Dank unserer Vorerfahrungen war sogar Ingrid, die – wie diejenigen wissen, die sie kennen – gern einmal ein wenig knapp in der Zeit dran ist, bereit fünf Stunden vor Abflug auf den Weg zum Flughafen aufzubrechen. Den kannten wir mittlerweile so gut, dass WIR dem kenianischen Uber-Driver verkehrsgünstige Varienten vorschlagen konnten. Am Jomo Kenyatta Airport angekommen, war der Check-in Schalter noch nicht einmal geöffnet, was uns aber nicht weiter störte, denn wir wollten die ersten sein, die ihren Koffer aufs Band stellen würden.

Nach einer halben Stunde in gewächshausähnlichen Temperaturen des Terminal2 setzten sich einige Qatar-Mitarbeiter beflissen aber langsam in Bewegung um den Check-in Schalter vorzubereiten. Wir waren immer noch gespannt, aber guter Dinge und als wir endlich an der Reihe waren, konnten wir auch alles vorweisen, was unsere Schultertasche zu bieten hatte: Reisepass, ausgedrucktes Ticket, COVID-Vaccine-Nachweis eins, zwei und drei, gültiges Einreise-Visum für SriLanka. All dies wurde von der streng dreinblickenden Qatar-Dame sorgfältig und lange in Augenschein genommen und als wir uns schon am Ziel wähnten, meinte sie, da wäre noch was, was sie erst nochmal abklären müsse, drehte sich um und verschwand, zielstrebig aber langsam hinter den Kulissen der Abfertigungsmaschinerie. Zurück kam die unifomierte Mittzwanzigerin mit einem dicken Handbuch, dessen dünnes Papier mich an Dünndruck-Bibeln oder Gottes-Lob-Bücher erinnerte. Ich meinte sogar einen gewissen triumphalen Zug in ihren Mundwickeln erkennen zu können, als sie uns eröffnete, dass in den Regularien aller Fluggesellschaften, die wir ja bei der Buchung mithilfe eines Häkchens akzeptiert hätten, – kennt ihr jemanden, der die jemals gelesen hat? – stünde, dass man nicht nach Sri Lanka einreisen dürfe, wenn man nicht auch schon ein Ticket für die Wiederausreise vorweisen könne. Letzteres, mussten wir unumwunden zugeben, hatten wir nicht. Es half auch nichts, als wir ins Feld führten, dass wir keinerlei vorhatten in Sri Lanka in Rente zu gehen und dass wir einfach noch nicht wussten wie lange unser Aufenthalt dort dauern würde, dass unser Visa ja eh nur 30 Tage Gültigkeit habe und wir dann ohnehin weiterfliegen würden. NICHTS ZU MACHEN. Kein Erbarmen. Wir könnten ja problemlos hier im Terminal mithilfe des freien WLANs noch ein Ticket buchen. Bähm!

Also dann, nichts leichter als das. Schließlich waren wir früh dran. Handys raus in MeinFlugladen.de rein. Flug von Colombo nach ??? wohin nur? und wann? schnelles Entscheidungen waren gefragt. Nach 30 Minuten war ein passender Flug gefunden. Doch die Abfrageroutine von oppodo.de belastete unsere Nerven bis zum Anschlag. „Wollen Sie wirklich keine Zusatzversicherung abschließen, die den Verlust des Gepäcks doppelt absichert?“ NEIN, wollen wir nicht. Nach außen müssen wir beide ein eigenartiges Bild abgeben – fotografische Belege dafür exisitieren nicht, zum Glück, als wir nach Eingabe der Kreditkarteninformationen minutenlang Kopf an Kopf auf ein sich drehendes Logo im Handy-Display starren, während wir unsere vier Daumen fest in unseren Fäusten halten. Endlich eine Meldung: Zahlung abgelehnt. Mist!

Back-Button, alle Eingaben inklusive der achtstelligen Passnummern sind futsch, alles nochmal. Diesmal aber am Ende mit der guten alten Kreditkarte unserer Hausbank in Regensburg. Die Schlange am Check-in-Schalter sieht schon sehr kurz aus. Es klappt tatsächlich. Das e-ticket ist nicht nur gebucht, sondern liegt auch schon im Posteingang unserer E-mail-Accounts. Eigentlich zu teuer gekauft. Egal. Für Schnäppchensuche war nun wirklich keine Zeit mehr.

Erstaunlich non-chalant akzeptiert die Uniform jetzt plötzlich unser Ticket, das sie sicher auch kaum nachvollziehen kann, weil alle Angaben in deutsch abgebildet sind, aber… egal, wir wurden durchgewunken zur Kofferabgabe.

Dort genügte der Mitarbeiterin ein Blick auf unser Ticket um festzustellen, dass es sich um ein von Kenya Airlines ausgestelltes Ticket handelte und sie uns deshalb nicht garantieren könne, dass wir mitfliegen. Der Flug sei mehr als ausgebucht und wir müssten mit unseren Koffern warten bis der Check-In-Vorgang abgeschlossen sei. Dann würde man nachzählen und überprüfen, ob noch Plätze im Flugzeug frei seien. BÄHM 2!

Immerhin, wir waren nicht allein. Ein blutjunges spanisches Pärchen auf Hochzeitsreise, das wegen des Pilotenstreiks bereits 2 Tage ihres sündteuren Honeymoons auf den Seychellen verpasst hatte sowie drei weitere Kenya Airlines Kunden bildeten eine seltsame Kurzzeit-Interessensgemeinschaft. Mathematische Kenntnisse wurden bemüht. Wahrscheinlichkeitsrechnungen: Mit wievielen No-Shows konnte man rechnen bei einer geschätzten Passagierzahl von 500. Als unsere sieben Pässe erst eingesammelt, dann wieder ausgeteilt wurden, sprossen die wildesten Vermutungen ins Kraut. Hat man nun eine Priorisierung vorgenommen? was sind die Kriterien? hätten wir vielleicht doch einen Schein in den Pass legen sollen?
Dabei wurden wir doch von einem sicher ganz anders gemeinten Schild bei der Zufahrt zum Flughafen darauf hingewiesen, dass wir uns nun in der korruptionsfreien Zone befänden.

Vor unserem inneren Auge sahen wir uns schon erneut im Tamarind Hotel einchecken, als es plötzlich ganz schnell ging. Der Check-in Schalter wurde geschlossen. Sieben Plätze waren noch zu vergeben. Die internationale Interessensgemeinschaft „Wir wollen raus“ konnte die Koffer aufs Band stellen und sich in den Boarding-Bereich begeben.

Was für ein Stress!

Der Grund für den überbuchten Flug, so erklärte mir mein Sitznachbar, als wir endlich im Flieger saßen, sei die Fußball-WM in Qatar. Die Hälfte aller Passagiere hatte braune Umschläge bei sich, Arbeitsverträge bei der Fifa inklusive eines kostenlosen Tickets bach Qatar. Kein Wunder, dass der Flieger proppenvoll war.

Bereitwillig zeigte mir Simon, so hieß der in Kenia geborene Elektriker neben mir, seinen Arbeitsvertrag. 490 Euro in bar pro Monat bei freier Unterkunft und Verpflegung. Welche Qualität das Wohnen und das Essen haben würden, war ihm genauso unklar wie die sonstigen Arbeitsbedingungen. Aber die FIFA muss sich schließlich um wichtigere Dinge kümmern, da kann man bei den kleinen Arbeitern schon ein wenig sparen.

Der Flughafen-Terminal in Doha roch nach Farbe und Kleber. Vieles war im großen Stil angelegt, aber eben noch unfertig. Uns egal. So beeindruckend der Airport und die Skyline auch waren, wir wollten schließlich weiter und das klappte tatsächlich völlig reibungslos. Boarding. Take-Off nach Colombo. Landung. Sogar die Koffer waren da! Hurra